Das passendes Zuggewicht ist Voraussetzung für gute und konstante Schuss- und Wettkampfergebnisse.

Zu hohe Zuggewichte führen zu schlechter Technik, unbefriedigenden Schußresultaten, gegebenenfalls sogar zu Verletzungen und – vermittelt über dies alles - letztlich zu Frustrationen, welche im ungünstigsten Falle die Lust am Bogenschießen an sich in Frage stellen kann.

Standardwerte

Aufgrund der Verwendung moderner Materialien im Bogenbau lassen sich heutzutage auch Bogen im mandschurischen, tibetischen oder mongolischen Design in fast allen Zuggewichtslagen konstruieren. Die nach heutiger Sicht oft abschreckend hohen Zuggewichte historischer Horn-Sehnen-Kompositbogen chinesischer Herkunft gehören daher der Vergangenheit an. Man kann sich daher zur Ermittlung des Zuggewichts an allgemeinen Grundsätzen bzw. Standard- und Erfahrungswerten orientieren.

Im internationalen Wettkampfbetrieb haben sich nachstehende Zuggewichtszuordnungen für Erwachsene im Maximalauszug als effektiv erwiesen:

Anfänger

stabile Konstitution: 32 lbs. Männer; 26 lbs. Frauen; kräftige Konstitution: 36 lbs.; 30 lbs. Frauen

Fortgeschrittene

stabile Konstitution: 38 lbs. Männer; 32 lbs. Frauen; kräftige Konstitution: 42 lbs.; 36 lbs. Frauen

Leistungssportler

stabile Konstitution: 40 lbs. Männer; 34 lbs. Frauen; kräftige Konstitution: 44 lbs. Männer; 38 lbs. Frauen

(vgl. Weineck/Haydn/Tschalova, aaO, S. 855 f. mwN).

Diese Angaben orientieren sich an gesunden Personen ohne verletzungsbedingte Vorschäden, die im Trainingsbetrieb mehrmals die Woche hohe Pfeilzahlen schießen.

Wer sich als bereits trainierter Bogenschütze an diesen Werten orientiert, wird sicherlich keinen Fehler begehen, wenn er nicht auf einem hochleistungssportlich orientierten Niveau zu trainieren beabsichtigt.

Bei Schützen, welche sich in gutem Trainingszustand befinden, sind auch höhere Zuggewichte denkbar. Notwendig scheinen sie für einen Wettkampfbetrieb jedoch nicht.

Ermittlungsmethoden

Als durchschnittlich ambitionierter Freizeitsportler kann man für den Beginn, wie auch für die weitere Entwicklung davon ausgehen, dass für die hier behandelte Art des Schießens ein Bogen ein geeignetes Zuggewicht aufweist, wenn er bei sauberem Bewegungs-/Auszugsablauf sechs Mal im Vollauszug sechs Sekunden ermüdungsfrei, also ohne Zittern gehalten werden kann (sogenannter "wiederholter Haltetest").

Eine weitere Methode zur Feststellung des geeigneten Zuggewichts besteht in der Durchführung eines sogenannten sportartspezifischen, isometrischen Maximalkrafttestes. Das Zuggewicht sollte zwei Drittel des auf diese ermittelten Wertes nicht übersteigen (vgl. Weineck/Haydn/Tschalova, aaO, S.  315 f., 655 mwN).

Auch lässt sich m. E. sagen, dass ein Zuggewicht für einen Wettkampf eines Freizeitsportlers geeignet, wenn dieser in der Lage ist, die eineinhalbfache Anzahl der maximal in einem Wettbewerb zu schießenden Pfeile sicher zu bewältigen.

Daher sollte bei der Auswahl eines Bogens genügend Zeit zum Testen oder Probeschießen verwendet werden:

Denn ein nur kurzzeitig erfolgendes Solches, gegebenenfalls gepaart mit Euphorie über einen geplanten Erwerb eines Bogens, ansprechendes Design und sonstigen positiven Umständen ist oft geeignet, sich selbst zu überschätzen, sodass man später eventuell feststellt, sich übernommen zu haben.

Gleichermaßen ist auch der Gebrauch eines Leihbogens geeignet, um das geeignete Zuggewicht herauszufinden.

Es muss jedoch nochmals darauf hingewiesen werden, dass das unter den vorgenannten Prämissen ermittelte, geeignete Zuggewicht sich an Personen richtet, welche die betreffende Technik bereits hinreichend beherrschen. Bei Anfängern wird man selbst davon noch Abstriche machen müssen, um ein korrektes Einüben verletzungsfrei ermöglichen zu können.

Modifikation im Trainings- und Wettkampfbetrieb

Im Hinblick auf im Trainings- und Wettkampfbetreib zu benutzende Bogen scheint es empfehlenswert, für Wettkämpfe einen Bogen zu verwenden, der etwas weniger zugstark ist, als der im Training Genutzte.

Diese Abweichung nach unten dient dabei als Sicherheitsreserve gegen Ermüdung sowie sonstige Stressfaktoren.

Eine Abweichung von ca. 10 % nach unten sollte m. E. bei Freizeitsportlern jedoch nicht überschritten werden, um zu verhindern, dass im Training eingeübte Feinkoordinationen nicht mehr auf die veränderte Situation angepasst werden können und somit den Processablauf insgesamt stören (vgl. auch Weineck/Haydn/Tschalova, aaO, S. 318 mit einer Abweichungsspanne von 10-15% im  Leistungssportbereich).

Zuggewichtsreserve bei chinesischen Bogen

Ungeachtet des nominalen Wertes des „geeigneten“ Zuggewichts sollte aufgrund der bauartbedingten Besonderheiten der chinesischen Reflexbogen auch ein Blick auf das avisierte Design geworfen werden:

Mandschurische, tibetische und mongolische Bogen weisen durch ihre Bauart unterschiedliche Schußverhalten auf. Dadurch kann ein „an sich geeignetes“ Zuggewicht sich auf diesen Bogen als unterschiedlich zu händeln bzw. „zu ertragen“ darstellen.

Insbesondere Schützen klassischer Qing-/Mandschu-Bogen sollten der Erfahrung nach über eine Zuggewichtsreserve von fünf bis zehn 10 Pfund verfügen:

Das heißt, dass das real geschossene Zuggewicht fünf bis zehn Pfund unter dem liegen sollte, welches nach der voraufgeführten Grundsätzen sicher bewältigt werden kann.

Grund dafür ist die erhebliche körperliche Arbeit, die zur Verarbeitung des bei diesen Bogen zu erwartenden Handschocks notwendig ist, um keine körperlichen Beeinträchtigungen zu erleiden. Fehlt diese Reserve, arbeiten die Schützen gleichsam „an ihrem oberen Limit“ und setzen sich dadurch der Gefahr von Verletzungen aus.

Zuggewichtssteigerung

Hinsichtlich der Frage, wie zügig man in dem Zuggewicht aufsteigen sollte, kann es keine generelle Antwort geben:

Dies ist von der Konstitution jedes Einzelnen sowie seinen Trainingsumfängen, damit zusammenhängender Adaptation sowie vom Alter abhängig. Hier bleibt nichts weiter als eine regelmäßige Überprüfung nach den oberwähnten Methoden, gegebenenfalls unter Verwendung von Leihbogen.

Entgegenzutreten ist der Ansicht, dass man sich allein „durch das Schießen selbst“ an ein höheres Zuggewicht gewöhne oder darin aufsteige:

Allein durch das Schießen kann man sich kaum an ein höheres Zuggewicht gewöhnen bzw. wird sich der Körper kaum an solche anpassen. Dieses ist nur bei eher leichten Zuggewichten möglich. Bei stärkeren Zuggewichten sollte - auch bei fortgeschrittenen Schützen - mit gezieltem Kraftaufbau durch Krafttraining begonnen werden.

Denn das Vorhandensein körperlicher Kraft ist zwar nicht die einzige, doch mit eine der entscheidenden Komponenten, gerade auch im Bereich des chinesischen Bogenschießens.

Eine mögliche Zuggewichtserhöhung allein durch das Schießen bzw. Zunahme koordinativer Fähigkeiten und Fertigkeiten ist meist nur scheinbar:

Die Adaptation erfolgt vielmehr nur auf das gerade praktizierte Zuggewichtsniveau. Die Fähigkeit zu einem „Mehr“ allein aus diesem Zustand heraus ist eine meist nur singuläre oder temporäre Erscheinung.

Folgt man diesem Irrglauben ohne flankierendes Krafttraining etc., wird meist über die körperliche Substanz und auf Kosten einer sauberen Technik und guter Schießergebnisse trainiert. Körperliche Schäden zeigen sich (leider) erst später.

Bogen mit zu hohem Zuggewicht sollten generell und erst recht nicht um des Schießens willen oder aufgrund falschen Ehrgeizes bzw. Frustration über ihre Anschaffung zu schießen versucht werden. Die Schußergebnisse und dahingehenden Desillusionierungen werden dadurch nicht besser, eher schlechter.