tibetisch - mandschurischer Bogen "Tibetan Qinghai" von Zhang Li / Ali Bow (Ausführung laminiert)

Im Ergebnis der Weiterentwicklung seiner Modellpalette brachte der chinesische Bogenbauer Zhang Li im Jahre 2018 einen laminierten Bogen mit der Bezeichnung "Tibetan Qinghai" auf den Markt.

Dabei handelt es sich um einen Bogen aus Bambus, Fiberglas und synthetischen Verbundwerkstoffen, welcher sich an Vorbildern orientiert, die sich Zeit des Protektorats bzw. nachfolgender Suzeränität der Qing-Dynastie über das Gebiet des "Tibetischen Reiches" eingangs bzw. Mitte des 18. Jahrhunderts dort entwickelten und als dominant durchsetzen sowie in das angrenzende Gebiet der heutigen, chinesischen Provinz Qinghai einsickerten. Aus dieser historischen, wie geographischen Präferenz rührt letztlich auch die Bezeichnung „Tibetan Qinghai".

Im Ergebnis dessen sind diese Bogen ähnlich wie mandschurische Bogen konstruiert, jedoch in ihrer Gesamtheit weniger lang als diese; ihr Reflex ist weniger stark ausgeprägt; die Siyahs sind im Verhältnis zu den Wurfarmen etwas verkürzt.

Die Auszugslängen sind mit in der Regel 32 - 33 Zoll etwas kürzer als bei ihren Vorbildern. Der Auszug lässt sich im Vergleich zu jenen als weniger komfortabel und effizient bezeichnen, da die Hebelverhältnisse ungünstiger gestaltet sind.

Vom Abschuss her sind diese Bogen jedoch einfacher zu handhaben, da es aufgrund der geringeren Bogenlänge, kürzerer Siyahs und weniger ausgeprägten Reflexes zu einem signifikant geringeren Handschock kommt. Auch wird aufgrund der geringeren Länge der Bogen die Handhabung im Allgemeinen oft als komfortabler empfunden.

Das Modell des Bogens bietet der Bogenbauer auch in einer Ausführung als Glasfiber - Holz - Bogen an.

Stammdaten

Laminierter Bogen aus Bambus, Glasfiber und synthetischen Verbundwerkstoffenn im Stil tibetisch - mandschurischer Kriegs- und Jagdbogen Zeit der chinesischen Mandschu-/Qing-Dynastie (1644-1911).

Hersteller: Zhang Li / Ali Bow, www.alibowshop.com

Länge Siyahende zu Siyahende abgespannt: 130 cm

Länge Siyahende zu Siyahende aufgespannt: 137 cm

Sehnenlänge abgespannt: 135 cm

tibetisch - mandschurischer Bogen "Tibetan Qinghai" von Zhang Li / Ali Bow (Ausführung laminiert) - Bogen aufgespannt rückenseitig
tibetisch - mandschurischer Bogen "Tibetan Qinghai" von Zhang Li / Ali Bow (Ausführung laminiert) - Bogen aufgespannt rückenseitig
tibetisch - mandschurischer Bogen "Tibetan Qinghai" von Zhang Li / Ali Bow (Ausführung laminiert) - Bogen abgespannt rückenseitig
tibetisch - mandschurischer Bogen "Tibetan Qinghai" von Zhang Li / Ali Bow (Ausführung laminiert) - Bogen abgespannt rückenseitig

Sehnenmaterial, -art und -stärke: Dyneema / Fast Fligth, 16 Strang; eine Verwendung von handelsüblichem Dacron B 50 ist möglich.

Zuggewicht: 36,97 lbs. @ 30 Zoll (gemessen); 41,71 lbs. @ 32 Zoll (gemessen); 44,91 lbs. @ 33 Zoll (gemessen) - Auszugsdiagramm anbei

empfohlene Standhöhe: 6 1/4 - 7 1/8 Zoll = 16 - 18 cm

idelaer Arbeitsbereich: 30 – 33 Zoll

max. Auszug: 33 Zoll

empfohlenes Pfeilgewicht: min. 12 gpp

Gewicht: 0,5 kg

Materialien: 

Korpus/Kern/Wurfarme – Laminat aus Bambus und Fiberglas

Griffstück – laminierter Bambus

Wurfarmenden / Siyahs - Laminat aus Bambus und verschiedenfarbigem, syntactischem Schaumstoff 

Tips / Nockinserts – syntactischer Schaumstoff 

Sehnenbrücken - syntactischer Schaumstoff 

Pfeilanlage - Einlage aus Rinderknochen

Laminierung des Korpus auf dem Bogenbauch – und rücken sowie dem Übergang von Wurfarmen zu den Wurfarmenden – schwarzes bzw. klares Fiberglas, Farbstellungen optional gestaltbar

Die Verwendung des synthetischen Verbundmaterials "syntactischer Schaumstoff " soll nach Angaben des Herstellers eine Reduzierung des Gesamtgewichts bzw. der betreffenden Elemente bewirken.

tibetisch - mandschurischer Bogen "Tibetan Qinghai" von Zhang Li / Ali Bow (Ausführung laminiert) - Griffsection bauchseitig mit Ledercuvertierung und Verzierungen

Bogenverlaufsform und Größenverhältnisse: letztlich an mandschurischen Vorbildern orientierte Bogenform, jedoch nur moderater Reflex von Wurfarmen (Länge je 40 cm; Breite max. 3,6 cm) und Siyahs (Länge je 22 cm)

Griffstück: sehr schlank; gerade; leicht zurückgesetzt, Bezug mit schwarzem, auf der Bogenrückenseite vernähtem Rindsleder

Fertigungszeit: Mai 2019

Preis: 300,- US-Dollar (Mai 2019)

Allgemeines zu Verarbeitung und Fertigung

Die Verarbeitung des Bogens ist dem Grunde nach solide und stabil.

Ungeachtet dessen waren in eingen Punkten Verarbeitungsmängel festzustellen:

Zum einen zeigte sich die Laminierung des Bogenrückens stellenweise rauh bzw. unzureichend poliert, wie auch die Seiten der Wurfarmenden / Siyahs an den Übergängen zu den Wurfarmen ähnlich unvollendet erschienen.
Zum anderen waren an den Kanten der Sehnenbrücken zu deren Sehenbetten hin scharfkantige Grate festzustellen.

tibetisch - mandschurischer Bogen "Tibetan Qinghai" von Zhang Li / Ali Bow (Ausführung laminiert) - Wurfarm rückenseitig mit Rauhigkeiten auf dem Laminat
tibetisch - mandschurischer Bogen "Tibetan Qinghai" von Zhang Li / Ali Bow (Ausführung laminiert) - Wurfarmende und Sehnenbrücke mit Rauhigkeiten und Graten am Material

Weiterhin war die Laminierung der Wurfarmenden / Siyahs aus Bambus und verschiedenfarbigem, syntactischem Schaumstoff nicht ganz symmetrisch.
Ob Letzteres Auswirkungen auf die Schußstabiltität oder Haltbarkeit des Bogens hat, wird die Zeit bzw. der Gebrauch des Bogens zeigen müssen.

Schlussendlich erschienen die Schlaufen der mitgelieferten Endlossehne nur knapp ausreichend weit, um den Wurfarmenden den notwendigen Raum zur vollen Entfaltung ihrer Hebelwirkung zu lassen:
Der Bereich, in dem die Schlaufenstränge vom Schlaufenende her gesehen zusammengewickelt werden, sollte auf den Sehnenbrücken oder kurz dahinter (in Richtung Siyahs gesehen) zu liegen gelangen, jedoch nicht noch weiter zum Siyahende hin. Jenes war jedoch bei der mitgelieferten Sehne der Fall.

Die Wurfarmenden / Siyahs sind, typisch für diese tibetisch beeinflusste Bogenform, etwas kurz gehalten. Sie laufen jedoch nicht, wie angesichts historischer Vorbilder der Bogenform zu erwarten gewesen wäre, zu ihren Enden hin schlank, sondern etwas klobig zu und wirken nahezu abgeschnitten.

tibetisch - mandschurischer Bogen "Tibetan Qinghai" von Zhang Li / Ali Bow (Ausführung laminiert) - Wurfarmende mit Sehnenbrücke und Sehne

Im Hinblick auf die Haltbarkeit der Sehne war eine manuelle Nacharbeit durch Entgraten der Sehnenbrücken unumgänglich, um eine längerfristige Schädigung durch Abrieb zu verhindern.
Auch drängte sich der Ersatz der Sehne durch eine solche mit ausreichend weiten Schlaufenenden auf.

Die Sehenenbrücken erscheinen angesichts historischer Vorbilder eigentümlich quaderförmig und im Vergleich zu den Wurfarmenden / Siyahs etwas plump, obgleich sie mit dem in sie eingearbeiteten Sehnenbett ihrer Funktion vollauf gerecht wurden. Ein Vergleich mit anderen, ebenso mit Sehenbrücken ausgestatteten Bogentypen des Herstellers ergab, dass es sich hierbei um eine standardisierte, massenproduktionstaugliche Form handelt.

tibetisch - mandschurischer Bogen "Tibetan Qinghai" von Zhang Li / Ali Bow (Ausführung laminiert) - Wurfarmende mit Sehnenbrücke und Sehne

Aus der Erfahrung mit Bogen ähnlicher Bauart empfiehlt es sich, die Sehnenbrücken mit einem dünnen Leder- oder Filzüberzug zu versehen, um den Abrieb der Sehne an deren Kanten sowie den beim Aufschlag der Sehne auf die Brücken entstehenden Geräuschpegel zu minimieren. Gegebenenfalls lässt sich durch ein moderates, konkaves Ausschleifen des Sehenbettes zu den Kanten der Brücken hin ein Erscheinungsbild erreichen, welches den historischen Vorbildern besser denn der Fabrikationszustand entspricht. Ein Verlust der Gebrauchsfähigkeit des Bogens dürfte dadurch nicht zu befürchten sein.

Die Verzierungen an den Übergängen des Griffstückes zu den Wurfarmen aus in Schwarz und Weiß gehaltenem Kunststoff wirken gediegen.

tibetisch - mandschurischer Bogen "Tibetan Qinghai" von Zhang Li / Ali Bow (Ausführung laminiert) - Griffsection bauchseitig mit Ledercuvertierung und Verzierungen

Die im Bereich der Pfeilanlage beidseitig des Bogens eingelegten Rinderknochen sind dezent und funktionell gesehen eine gute Lösung als Ersatz für die an dieser Stelle an historischen Originalen meist zu findenden Bezüge aus Stachelrochenleder.

 tibetisch - mandschurischer Bogen "Tibetan Qinghai" von Zhang Li / Ali Bow (Ausführung laminiert) - Griffsection mit Ledercuvertierung und Pfeilanlage

Hinsichtlich der farblichen Gestaltung der Wurfarme stehen herstellerseits verschiedene Möglichkeiten - von klar über schwarz bis zu diversen Farbstellungen - zur Verfügung.

Unpraktisch ist der Bezug des Griffstückes mit schwarzem, auf der Bogenrückenseite vernähtem Rindsleder: Die (verflochtene) Naht stört das Griffgefühl beim Schießen erheblich.

tibetisch - mandschurischer Bogen "Tibetan Qinghai" von Zhang Li / Ali Bow (Ausführung laminiert) - Griffsection rückenseitig mit Ledercuvertierung und Verzierungen

Hier wurde wohl gut gemeinter Verzierung der Vorzug vor Praktikabilität gegeben. Das Leder sollte somit gegen ein ohne Naht zu Verklebendes ausgetauscht werden.

Zusammenfassend kann somit zur Verarbeitungsqualität konstatiert werden, dass es scheint, als ob an einigen Bereichen des Bogens Abschlußarbeiten nicht ausgeführt worden waren, welche zwar die Stabilität des Bogens an sich mutmaßlich nicht beeinträchtigen werden, jedoch unschön sowie, insbesondere angesichts des Preises des Bogens, eigentlich nicht tolerabel sind. Hinzu kommen Bereiche, in denen kostensparender Funktionalität der Vorrang vor historischer Authentizität und Eleganz gegeben worden zu sein scheint.

Abschußverhalten
Abschussart und verwendetes Material

Abschußart:

Der Bogen wurde unter Verwendung eines zylindrischen Daumenrings im chinesisch-mandschurischen Stil mit zwei Pfeilen eines Auszuges von 32 Zoll geschossen.

Pfeilmaterial:

Pfeile aus modernen Materialien:

Pfeil 1 - Aluminium - Easton XX 75 Legacy; Spine 2216; Länge 32 Zoll; Durchmesser 11/32 ``; gerader Schaft; 125 - grn. – Schraubspitze mit Insert; Plastikklebenocke; Befiederung mit drei Federn in Shieldform zu je fünf Zoll Länge; Gesamtpfeilgewicht 544 grn. - 13 gpp (bei Auszug von 32 Zoll).

Pfeil 2 -  Aluminium - Easton XX 75 Legacy; Spine 2219; Länge 32 Zoll; Durchmesser 11/32 ``; gerader Schaft; 125 - grn. – Schraubspitze mit Insert; Plastikklebenocke; Befiederung mit drei Federn in an Vorbilder der Qing-Dynastie angelehnter, langgestreckter Parabolform von 26 cm Länge; Gesamtpfeilgewicht 642 grn. - 15,4 gpp (bei Auszug von 32 Zoll).

subjektiver Eindruck

Bogen, die sich an mandschurischer Bauart orientieren, gerieren aufgrund des Reflexes der Wurfarme, der Länge der Siyahs sowie der Sehnenbrücken beim Abschuss teilweise erhebliche Schwingungen, welche als Handschock wahrgenommen und vom Schützen durch entsprechende Schusstechnik absorbiert werden müssen. Letzteres erfordert einige Übung und erschwert, insbesondere für Anfänger, das Schießen mit Bogen dieser Bauart teilweise erheblich.

Dieses Phänomen reduziert sich bei Bogen tibetischer Bauweise aufgrund der geringeren Bogenlänge, kürzerer Siyahs und weniger ausgeprägten Reflexes.
Hinzu kommt, dass diese Bogen aufgrund ihrer geringeren Länge im Gebrauch schlichtweg handlicher sind.
Allerdings kann es aufgrund der geringeren Länge des Bogens zu einem sensibleren Schußverhalten kommen, mithin der Bogen empfindlicher auf Unsauberkeiten der Schußtechnik reagieren, als seine mandschurischen Vorbilder.

Der getestete Bogen entwickelte bei Verwendung des ersten Pfeiles einen nur geringfügig wahrnehmbaren Handschock. Bei dem schwereren, zweiten Pfeil war kein solcher mehr wahrnehmbar.

Die Energieabgabe beim Abschuss erfolgte nahezu explosionsartig - hart mit einer gewissen Tendenz zur "Giftigkeit".

Der gerierte Pfeilflug war jeweils sauber und schnell.

Auf Fehler in der Schußtechnik reagierte der Bogen jedoch empfindlich: Unsauberer oder schwacher Ablaß gerierten umgehend unter anderem ein Anschlagen des Pfeiles an den Bogen sowie einen unsauberen Pfeilflug.
Eine gute Schußtechnik wurde dagegen mit einem fulminanten Abschluß honoriert.

Es entstand das Gefühl eines bei fehlerfreier Schießweise schnellen und durchschlagskräftigen Abschusses.

objektiver Eindruck - Ergebnisse Geschwindigkeitsmessung sowie „Dynamic Efficiency“ (lt. Auszugsdiagrammformel)

Die vorerwähnten Testpfeile wurde mehrfach über ein offenes, wie geschlossenes Chronometer geschossen.

Geschwindigkeitsmittel Pfeil 1: 164 fps.

Dynamic Efficiency: 67,49 %

Geschwindigkeitsmittel Pfeil 2: 154 fps.

Dynamic Efficiency: 70,23 %

Die Ergebnisse liegen im Rahmen des für Bogen dieser Bauart zu Erwartenden:
Bogen dieser Bauart waren konstruiert, um schwere Pfeile auf nahe bis mittlere Distanzen bei hoher Durchschlagskraft gegen schwer gepanzerte Gegner bzw. entsprechendes Wild effektiv und sicher ins Ziel zu bringen. Das Erreichen hoher Pfeilgeschwindigkeiten oder das Überwinden sehr großer Distanzen waren nicht beabsichtigt.

Dieser Bogen entspricht diesen Anforderungen, gepaart mit einer guten Handlichkeit.

Fazit

Im Endergebnis ein sich an traditionellen Vorbildern orientierender Bogen mit entsprechendem Auszugs- und gutem Schussverhalten. Die Komposition von Bogendesign und Werkstoffen ist im Hinblick auf die Funktionalität als gut zu bezeichnen.

Das Erscheinungsbild einzelner Elemente des Bogens ist jedoch, ungeachtet des insgesamt stimmigen Gesamteindruckes, etwas gewöhnungsbedürftig. Es drängte sich der Eindruck auf, dass hier massenproduktionstauglicher Form der Vorrang vor Liebe zum Detail und historischer Authentizität eingeräumt worden ist.

Die Verarbeitung lässt in einigen - wenn auch nicht essentiellen - Punkten zu wünschen übrig, was, nicht nur angesichts des Preises, nicht nachvollzogen werden kann. Die Sehne und das Griffleder sollten ersetzt werden.

Ungeachtet dieser Mankos kann das Modell aufgrund der Anlehnung an historische Vorbilder sowie seiner Leistungsfähigkeit ambitionierten, fortgeschrittenen Schützen empfohlen werden, die sich dem Schießen von Bogen mandschurischer Tradition verschrieben haben, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten verbessern wollen und dahingehend eine Herausforderung suchen. Bei korrekter Handhabung wird der Bogen ihren Anforderungen gerecht werden.

Für Anfänger oder Einsteiger in den Bereich des chinesisch - mandschurischen Bogenschießens ist dieser Bogen hingegen weniger geeignet, da er insbesondere Fehler in der Schußtechnik nicht sonderlich verzeiht. Für diese Personengruppe bietet sich eher die Ausführung dieses Bogens in seiner Glasfiber - Holz - Variante an.

Der Preis des Bogens ist annehmbar, wenn die aufgezeigten Verarbeitungsmängel hinwegdenkt.

Auszugsdiagramm