Mandschurischer Bogen "Xongkoro" von Zhang Li - Ali Bow

Mitte des Jahres 2021 brachte der chinesische Bogenbauer Zhang Li einen glaslaminierten Bogen im chinesisch - mandschurischen Stil auf den Markt, der dem klassischen Aussehen und der Leistung klassischer Mandschu-Bogen nahe kommen und gleichzeitig dem modernen Bogenschützen ein komfortables Schießerlebnis ermöglichen sollte.

Dies stellte eine Herausforderung dar, da es aufgrund des historischen Designs und der Eigenschaften der verwendeten Werkstoffe bis dato keinem Anbieter auf dem Markt gelungen war, einen dahingehend zufriedenstellenden Bogen herzustellen.

Stammdaten

Laminierter Bogen im Stil der Kriegs- und Jagdbögen der chinesischen Mandschu-/Qing-Dynastie (1644-1911);

Hersteller:                                                          Zhang Li / Ali Bow; www.alibowshop.com

Länge Siyahende zu Siyahende abgespannt:  138 cm

Länge Siyahende zu Siyahende aufgespannt: 160 cm

Sehnenlänge abgespannt:                                158 cm (herstellerseits gelieferte Standardendlossehne)

153 cm (herstellerseits gelieferte, geknotete, dreiteilige Sehne nach historischem Vorbild)

155 -155,5 cm (im Testbetrieb angesichts der empfohlenen Standhöhe als ideal ermittelte Länge für Standardendlossehne)

Sehnenmaterial, -art und -stärke:                     Fast Fligth, 18 Strang; eine Verwendung von handelsüblichem Dacron B 50 ist  möglich.

Mandschurischer Bogen "Xongkoro" von Zhang Li - Ali Bow - aufgespannt
Mandschurischer Bogen "Xongkoro" von Zhang Li - Ali Bow - abgespannt

Zuggewicht:                                                       45 lbs. @ 32 Zoll (gemessen),

51 lbs. @ 35 Zoll (gemessen)
(Auszugsdiagramm anbei)

empfohlene Standhöhe:                                    7,9 – 8,6 Zoll = 20 - 22 cm

idealer Arbeitsbereich:                                      33 – 35 Zoll.

max. Auszug:                                                    35 Zoll.

empfohlenes Pfeilgewicht:                                15 gpp (min.)

Gewicht:                                                            0,6 kg

Materialien:                                                       Korpus/Kern/Wurfarme – Bambuslaminat

                                                                          Wurfarmenden / Siyahs – Bambuslaminat

Laminierung des Korpus auf dem Bogenbauch – und rücken sowie dem Übergang von Wurfarmen zu den Wurfarmenden – schwarzes Fiberglas

Griffstück – laminiertes Maulbeerholz, Verblendung auf dem Bogenbauch und Bogenrücken durch syntactisches Material

Pfeilanlage - Einlage aus Seemuschelschalen (Kalzit/Calciumcarbonat)

Sehnenbrücken – Verbundmaterial aus Holz und syntactischem Schaumstoff 

Tips / Nockinserts – syntactischer Schaumstoff 

Die Verwendung des synthetischen Verbundmaterials "syntactischer Schaumstoff " soll nach Angaben des Herstellers eine Reduzierung des Gesamtgewichts bzw. der betreffenden Elemente bewirken.

Bogenverlaufsform und Größenverhältnisse:  für mandschurische Bogen typischer, mittlerer Reflex der Wurfarme (Länge je 49 cm; Breite max. 4,0 cm) sowie starker Reflex der Siyahs (Länge je 28 cm)

Griffstück:                                                          schlank; gerade; Bezug mit schwarzem Rindsleder

Mandschurischer Bogen "Xongkoro" von Zhang Li - Ali Bow - Griffsection bogenbauchseitig

Fertigungszeit:                                                        Mitte 2021

Preis:                                                                      450,- US-Dollar (Mitte 2021)

Allgemeines zu Verarbeitung und Fertigung

Die Verarbeitung des Bogens ist solide, stabil und sauber.

Einzig zu bemängeln war, dass die Übergänge der Sehnenbrücken zu deren Sehenbetten hin etwas scharfkantig waren. Im Hinblick auf die Haltbarkeit der Sehne war eine manuelle Nacharbeit durch Entgraten dieser Bereiche unumgänglich, um eine längerfristige Schädigung durch Abrieb zu verhindern.

Als unbrauchbar erwiesen sich die mitgelieferte Sehe:

Die mitgelieferte Standard-Endlossehne war zu lang – mit ihr ließ sich die empfohlene Standhöhe nicht erreichen, fiel mithin zu niedrig aus, welches ein unruhiges Schussverhalten des Bogens geriert hätte. Zudem erschein die Sehne bei dem anliegenden Zuggewicht mit 16 Strängen unterdimensioniert.

Die mitgelieferte, traditionell geknotete, dreiteilige Sehne ließ sich zwar auf die gewünschte Länge verstellen. Im Ergebnis kamen jedoch die Sehnenknoten des recht groben Materials derart ungünstig auf bzw. vor den Sehnenbrücken zu liegen, dass dieses das Schussverhalten negativ beeinflusste.

Es musste daher eigens eine geeignete Standard-Endlossehne mit 18 Strängen abgefertigt werden.

Die Siyahs wirken stabil, zu ihren Enden hin schlank zulaufend und nicht klobig, sind zudem transparent lackiert

Die eingespleisten Tips/Nockinserts sind ebenso mit transparentem Lack überzogen.

Die kräftigen Sehnenbrücken stehen optisch wie funktionell in günstigem Verhältnis zu den Wurfarmenden und verfügen über ein zusätzlich eingearbeitetes, den Lauf der Sehne führendes Bett.

Mandschurischer Bogen "Xongkoro" von Zhang Li - Ali Bow - Siyah mit Tip/Nockinsert und Sehnenbrücke
Mandschurischer Bogen "Xongkoro" von Zhang Li - Ali Bow - Siyah mit Tip/Nockinsert und Sehnenbrücke

Aus der Erfahrung mit anderen Bögen ähnlicher Bauart empfiehlt es sich, die Sehnenbrücken mit einem dünnen Leder- oder Filzüberzug zu versehen, um den Abrieb der Sehne an deren Kanten sowie den beim Aufschlag der Sehne auf die Brücken entstehenden Geräuschpegel zu minimieren.

Die Verzierungen an den Übergängen des Griffstückes zu den Wurfarmen aus in Schwarz und Weiß gehaltenem Kunststoff wirken gediegen.

Mandschurischer Bogen "Xongkoro" von Zhang Li - Ali Bow - Griffsection bogenbauchseitig mit Verzierungen

Die im Bereich der Pfeilanlage beidseitig des Bogens intarsierten Muschelschalen sind dezent und funktionell gesehen eine gute Lösung als Ersatz für die an dieser Stelle an historischen Originalen meist zu findenden Bezüge aus Stachelrochenleder.

 Mandschurischer Bogen "Xongkoro" von Zhang Li - Ali Bow - Griffsection mit Pfeilanlage
Mandschurischer Bogen "Xongkoro" von Zhang Li - Ali Bow - Mittelstück mit Griffsection nebst Pfeilanlage und laminierten Wurfarmen

Hinsichtlich der farblichen Gestaltung der Wurfarme auf dem Bogenbauch und –rücken wird herstellerseits derzeit nur schwarzes Glasfiber angeboten. Inwieweit es hier auch noch Variationsmöglichkeiten geben wird, muss die Zukunft zeigen.

Unpraktisch ist der Bezug des Griffstückes mit schwarzem, auf der Bogenrückenseite vernähtem Rindsleder: Die (verflochtene) Naht stört das Griffgefühl beim Schießen erheblich.

Hier wurde wohl gut gemeinter Verzierung der Vorzug vor Praktikabilität gegeben. Das Leder sollte somit gegen ein ohne Naht zu Verklebendes ausgetauscht werden.

Mandschurischer Bogen "Xongkoro" von Zhang Li - Ali Bow - Griffsection bogenrückenseitig mit Bezug des Griffstücks nebst verflochtener Naht

Zusammenfassend kann somit zur Verarbeitungsqualität konstatiert werden, dass der Bogen qualitativ hochwertig verarbeitet ist. Die erwähnten Mängel sind nur marginal und fallen nicht wirklich ins Gewicht.

Auszugs- und Schußverhalten, verwendetes Testmaterial und Ergebnisse
Auszugsverhalten

Im ersten Viertel des Auszuges ist das für mandschurische Bogen typische Auszugsverhalten gleichsam par excellence festzustellen:

Aufgrund des Reflexes und der recht langen Wurfarmenden besteht eine Vorspannung, die es - ähnlich wie bei einem modernen Compoundbogen - zunächst zu überwinden gilt.

Dazu muss kurzzeitig sehr kräftig ausgezogen werden bzw. ein entsprechender Vorschub erfolgen. Dieses ist, etwa für Verwender moderner Recurve- oder klassicher Langbogen, zunächst etwas ungewohnt und geeignet, zu befürchten, dass sich der Bogen nie in einen Vollauszug werde bringen lassen.

Ist dieser Auszugsweg jedoch überwunden, erfolgt ein merklicher Abfall des zum Auszug erforderlichen Kraftaufwandes und der Bogen läßt sich angenehm, bei nur mäßigem Zuggewichtsanstieg weiter ausziehen, ohne dass jedoch ein Gefühl von Schwammigkeit zu konstatieren wäre.

Erst im letzten Viertel des möglichen Auszuges ist ein stetiger Anstieg der Zuggewichtsbelastung konstatierbar, welche für den Schützen zum Maximalauszug von 36 Zoll hin in einem kräftigen, „satten“ Vollauszugsgefühl endet.

Subjektiv gesehen hatte man beim Erreichen des Vollauszuges somit nicht den Eindruck, am Ende des möglichen Auszuges angelangt zu sein; selbst ein Überziehen schien möglich. Ein Stacking war nicht zu bemerken.

Auszugskurve anbei.

Abschussverhalten
Abschussart und verwendetes Material

Releaseart:

Der Bogen wurde unter Verwendung eines zylindrischen Daumenrings im chinesisch-mandschurischen Stil bei Maximalauszug von 35 Zoll geschossen.

Pfeilmaterial:

Sich an historischen, mandschurischen Originalen orientierender Pfeil aus modernen Materialien.

Pfeil 1 - Carbon – Nijora Tokala heavy long; Spine 400; Länge 36 Zoll; Durchmesser 8,17 mm – 0,31´´; gerader Schaft; 100 - grn. – Schraubspitze mit langem Insert von 40 grn.; Schutzringe an jedem Schaftende; Plaststecknocke im Qing-Stil; Befiederung mit drei Federn in langgestreckter Parabolform zu je ca. 11 Zoll Länge; Gesamtpfeilgewicht 830 grn. – 16,2 gpp (bei Auszug von 35 Zoll).

Pfeil 2 - Carbon – Nijora Tokala heavy long; Spine 400; Länge 36 Zoll; Durchmesser 8,17 mm – 0,31´´; gerader Schaft; 125 - grn. – Schraubspitze mit langem Insert von 40 grn.; Schutzringe an jedem Schaftende; Plaststecknocke im Qing-Stil; Befiederung mit drei Federn in langgestreckter Parabolform zu je ca. 11 Zoll Länge; Gesamtpfeilgewicht 855 grn. – 16,8 gpp (bei Auszug von 35 Zoll).

Subjektiver Eindruck

Bogen mandschurischer Bauart gerieren aufgrund des Reflexes der Wurfarme, der Länge der Siyahs sowie der Sehnenbrücken beim Abschuss teilweise erhebliche Schwingungen, welche als Handschock wahrgenommen und vom Schützen durch entsprechende Schusstechnik absorbiert werden müssen. Letzteres erfordert einige Übung und erschwert, insbesondere für Anfänger, das Schießen mit Bogen dieser Bauart teilweise erheblich.

Auch ist der ausgesprochen lange Auszug dieser Bogen für viele Schützen ungewohnt, führt er doch dazu, dass sich die Zughand im Vollauszug in der Regel auf der Höhe des Ohres oder noch weiter in Richtung Zugschulter, nahezu frei schwebend im Raum befindet. Dieses sowie die weiteren, zum Lösen notwendigen Bewegungen bzw. der dazu notwendige, gezielte Krafteinsatz stellen weitere Herausforderungen für die Verwender dar, da sie neben der bloßen Bewegungskoordination eine zentrierende Kraftentfaltung trotz ausgedehnter Lage der oberen Extremitäten erfordern.

Der getestete Bogen entwickelte bei Verwendung des für ihn als ideal bezeichneten Pfeilgewichtes sowie bei Anliegen der herstellerseits als ideal empfohlenen Standhöhe nur wenig Handschock (Mehr stärkerer solcher war jedoch zu verzeichnen gewesen, als die mitgelieferte Standard-Endlossehne verwendet wurde, mit welcher die empfohlene Standhöhe unterschritten bzw. nicht erreicht wurde.).

Die Energieabgabe beim Abschuss erfolgte – nicht zuletzt auch angesichts des doch hohen Pfeilgewichtes von über 16 gpp - sehr dynamisch mit Tendenz zu einer gewissen Explosivität, ohne dabei jedoch unruhig oder gar wacklig bzw. „giftig“ zu wirken.

Die Pfeile wurden zwar schnurgerade in Richtung Ziel befördert. Das setzte jedoch eine sehr saubere Schusstechnik sowie korrekt abgestimmtes Pfeilmaterial voraus. Mangelte es daran, war der Pfeilflug von einem Wedeln und einem schrägen Aufschlag des Pfeiles auf das Ziel geprägt. Insbesondere erwies sich der gewählte Spinewert von 400 als zu weich. Mit alternativ verwendeten Schäften eines Spines von 300 konnten demgegenüber zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden.

Insofern muss die Aussage, dass lange Reflexbogen wie etwa Mandschurische, ausgesprochen fehlerverzeihend schießen würden, einer gewissen Korrektur unterzogen werden.

Bogenformen wie die hier Getestete, die historischen Vorbildern sehr nahe kommen, erfordern ein hohes Maß an Können, um auch nur annähernd passable Schießergebnisse und somit auch Freude am Schießen erreichen zu können.

Sie profitieren aufgrund ihres Designs – hier gestalts einen recht langen Bogens, sehr langen Auszuges, sehr langer Pfeile und Handschockneigung beim Abschuß - nur eingeschränkt von den Vorteilen, die der Einsatz moderner Materialien bei anderen, auch moderneren Bogentypen oder -formen geriert.

Negative Auswirkungen von Fehlern sind jedoch letztlich nicht dem Bogen, sondern dem Schützen anzulasten.

Ungeachtet dessen ist die Umsetzung des historischen Bogendesigns mit modernen Materialien sehr gut gelungen – eine Herausforderung, an der einige Hersteller bisher gescheitert waren.

Der Bogen ist somit nicht für Anfänger, sondern für Schützen geeignet, die bereits über einige Erfahrungen im Schießen mit dem chinesischen Daumenring sowie Bogen mit sehr langem Auszug haben.

Da das Design des Bogens historischen Vorbildern entspricht, kann vermutet werden, dass dieses – gepaart mit den verwendeten, modernen Materialien - für das dynamische Schussverhalten, Schußstabilität, Auszugsverhalten und Treffsicherheit, aber auch den Handschock ursächlich ist.

Insofern kann konstatiert werden, dass die Umsetzung des historischen Bogendesigns mit modernen Materialien sehr gut gelungen ist – eine Herausforderung, an der einige Hersteller bisher gescheitert waren.

Ergebnisse Geschwindigkeitsmessung sowie „Dynamic Efficiency“ (lt. Auszugsdiagrammformel)

Der vorerwähnte Testpfeil wurde mehrfach über ein offenes, wie geschlossenes Chronometer geschossen.

Pfeil 1 - Geschwindigkeitsmittel: 164 fps.

Dynamic Efficiency: 82,39 %

Pfeil 2 - Geschwindigkeitsmittel: 154 fps.

Dynamic Efficiency: 74,84 %

Diese Ergebnisse liegen angesichts des hohen Pfeilgewichtes über dem des für Bogen dieser Bauart zu Erwartenden: Chinesisch - mandschurische Bogen waren und sind keine Hochgeschwindigkeitswaffen. Sie waren konstruiert, um schwere Pfeile auf mittlere Distanzen bei hoher Durchschlagskraft gegen schwer gepanzerte Gegner bzw. entsprechendes Wild effektiv und sicher ins Ziel zu bringen.

Dieser Bogen paart diese Anforderungen mit für das verwendete Pfeilgewicht hoher Geschwindigkeit.

Fazit

Ein sehr gut verarbeiteter Bogen in exklusivem Design mit sehr gutem Auszugs- und, für Bogen dieses Typus, außerordentlich gutem Schussverhalten. Die Komposition von Bogendesign und Werkstoffen ist als sehr gut gelungen zu bezeichnen.

Aufgrund des, historischen Vorbildern entsprechenden Designs, angenehmen Auszugs- und außerordentlichen Schussverhaltens ist dieses Modell eine Option für Interessenten die sich näher mit dem Schießen von Bogen mandschurischer Tradition zu befassen.

Allerdings sollten diese bereits über einige entsprechende Erfahrungen nebst Geduld sowie Frustrationstoletranz beim Üben und Umgang mit dieser Bogenform verfügen. Für Anfänger ist dieser Bogen nicht geeignet. Diese sollten sich zunächst Bogen mit kürzerem Auszug zuwenden.

Der Preis erscheint angesichts des exklusiven Designs und der guten Verarbeitung gerechtfertigt.

Auszugsdiagramm