Bogen "Advanced Mongol Yuan" von Zhang Li - Ali Bow

Ende des Jahres 2019 brachte der chinesische Bogenbauer Zhang Li unter der Bezeichnung „Advanced Mongol Yuan“" einen Bogen unter Verwendung von Glasfiber und Holz auf den Markt.

Dabei handelt es sich nach der Beschreibung des Herstellers um eine „Spekulation“ hinsichtlich der Bogen, welche in der Zeit der Yuan –Dynastie (1279 – 1368) in China verwendet wurden.

Vom neutralen Standpunkt her sollte man jedoch angesichts der Form des Bogens sowie fehlender Funde aus dieser Zeit, welche die Verwendung oder die Existenz eines solchen Bogens überhaupt belegen, eher davon sprechen, dass es sich schlichtweg um eine bloße Mutmaßung, eine Studie oder besser, wie der Hersteller selbst ausführt, den Versuch der Vereinigung von Merkmalen von Bogendesigns verschiedener Epochen und Regionen handelt:

Zum einen finden sich Elemente der Bogen aus der Yuan – Zeit wie recht breite, wenig reflex gekrümmte Wurfarme und ein insgesamt recht moderate Gesamtlänge des Bogens.

Zum anderen sind sehr stark reflex gekrümmte Wurfarmenden mit kleinen Sehnenbrücken sowie eine relativ kurze Auszugslänge, wie sie vornehmlich bei tatarischen oder osmanischen Bogen des 16. – 18. Jh. zu finden sind, zu verzeichnen.

Sinn dieser Kombination war es wohl, die Vorteile der jeweiligen Bogenformen zu vereinen und deren Nachteile auszuschalten.

Ein solches Vorgehen mag in Historikerkreisen vielleicht nicht opportun oder unorthodox erscheinen.

Jedoch zeigt ein Blick in die Geschichte, dass man in der Vergangenheit auch stets versuchte, positive Erfahrungen zum Zwecke noch vorteilhafterer Neuerungen zusammenzuführen. Insofern ist der – auf den ersten Blick auch etwas ungewohnt erscheinende – Bogen zumindest eine Studie wert.

Stammdaten

Holz-Glasfiber-Bogen mit Stilelementen der Bogen Zeit der chinesischen Yuan – Dynastie sowie Merkmalen tatarischer bzw. osmanischer Bogen.

Hersteller: Zhang Li / Ali Bow, www.alibowshop.com

Länge Siyahende zu Siyahende abgespannt:108 cm

Länge Siyahende zu Siyahende aufgespannt: 128 cm

Sehnenlänge abgespannt: 125 cm

Bogen “Advanced Mongol Yuan” von Zhang Li / Alibow - aufgespannt
Bogen “Advanced Mongol Yuan” von Zhang Li / Alibow - abgespannt

Sehnenmaterial, -art und -stärke: Fast Fligth / Dyneema, Endlossehne, 16 Strang; eine Verwendung von handelsüblichem Dacron B 50 ist möglich.

Zuggewicht: 30,6 lbs. @ 28 Zoll (gemessen), 41,3 lbs. @ 32 Zoll (gemessen) - Auszugsdiagramm anbei

empfohlene Standhöhe: 6 1/2 Zoll – 6 7/8 Zoll

idealer Arbeitsbereich: 28 – 31 Zoll

max. Auszug: 31 Zoll

empfohlenes Pfeilgewicht: min. 10 gpp

Gewicht: 0,650 kg

Materialien: 

Korpus/Kern/Wurfarme – schwarzes Glasfiber

Griffstück und Wurfarmenden – Maulbeerholz

Tips - Nockinserts - schwarzes Glasfiber

Sehnenbrücken - schwarzes Glasfiber

Bogen “Advanced Mongol Yuan” von Zhang Li / Alibow - Siyah und Sehnenbrücke abgespannt

Laminierung des Korpus auf dem Bogenrücken – schwarzes Rindsleder

Übergang des Griffstückes zu den Wurfarmen (Pfeilanlage) - mit schwarzem, ungeschliffenem Stachelrochenleder cuvertiert

Bogen “Advanced Mongol Yuan” von Zhang Li / Alibow - Griffsection

Übergänge vom Griffstück zu den Wurfarmen sowie von den Wurfarmen zu den Wurfarmenden - mit Wicklungen aus gröberem Garnmaterial versehen

Bogenverlaufsform und Größenverhältnisse: leichter Reflex von Wurfarmen (Länge je 38 cm; Breite max. 4,3 cm) bei starkem Reflex der Siyahs (Länge je 25 cm)

Griffstück: schlank; gerade; leicht zurückgesetzt, Bezug mit schwarzem Rindsleder

Fertigungszeit: Ende 2019

Preis: 150,- US-Dollar (Ende 2019)

Allgemeines zu Verarbeitung und Fertigung

Die Verarbeitung des Bogens ist solide, stabil und sauber.

Wicklungen an den Übergängen vom Griffstück zu den Wurfarmen sowie von den Wurfarmen zu den Wurfarmenden fest; keine Lücken.

Aufgrund des verwendeten Glasfibermaterials kann eine Robustheit unterstellt werden, die denen glaslaminierter Bogen überlegen ist.

Die Siyahs wirken kräftig, im Bereich der Siyahkniee (Übergang zu den Wurfarmenden) fast klotzig und dort bogenbauchseitig auch etwas kantig, laufen jedoch zu ihren Enden hin schlank, nahezu stromlinienförmig zu.

Die nicht von der Ledercuvertierung erfassten Bereiche sind solide transparent lackiert. Die eingespleisten Tips/Nockinserts sind sauber, ohne Kanten oder Rillen eingefügt.

Im entsprechenden Verhältnis zu den Wurfarmenden stehende, bündig mit diesen abschließend aufgeklebte Sehnenbrücken mit zusätzlich etwas tief eingearbeitetem, den Lauf der Sehne führendem Bett.

Bogen “Advanced Mongol Yuan” von Zhang Li / Alibow - Siyah und Sehnenbrücke aufgespannt

Aus der Erfahrung mit anderen Bögen ähnlicher Bauart empfiehlt es sich, die Sehnenbrücken oder zumindest das Sehnenbett mit einem dünnen Leder- oder Filzüberzug zu versehen, um den Abrieb der Sehne an deren Kanten sowie den beim Aufschlag der Sehne auf die Brücken entstehenden Geräuschpegel zu minimieren.

Die farbliche Gestaltung ist durch den Bezug mit einfarbigem Leder dezent. Es stehen jedoch herstellerseits verschiedene Möglichkeiten der Cuvertierung mit unterschiedlich gefärbten Leder- oder Hautarten zur Verfügung.

Ob die Fadenwicklungen an den Übergängen vom Griffstück zu den Wurfarmen bzw. von den Wurfarmen zu den Wurfarmenden wirkliche Funktionen erfüllen - wie etwa eine Stabilisierung oder Schutz gegen Verdrehungen - oder nur Zierde sind, konnte nicht beurteilt werden:

Am Übergang zur Ledercuvertierung der Wurfarmenden wirken sie, da sie auf jene aufgewickelt wurden, etwas wulstig – und untermauern die Vermutung bloßer Zierde denn tragender oder stabilisierender Funktionen. Ansonsten wirken sie nicht unpassend und stören den optischen Gesamteindruck nicht.

Auszugs- und Schußverhalten
Auszugsverhalten

Zu Beginn des Auszuges ist das für stark reflex gehaltene Bogen typische Auszugsverhalten festzustellen:

Aufgrund des Reflexes der Wurfarmenden besteht eine Vorspannung, die es - ähnlich wie bei einem modernen Compoundbogen - zunächst zu überwinden gilt. Dazu muss recht kräftig ausgezogen werden bzw. ein entsprechender Vorschub erfolgen.

Da die stark reflex gekrümmten Wurfarmenden jedoch recht kurz ausgeführt sind, ist – im Gegensatz etwa zu Bogen mit langen, steifen Wurfarmenden - ein entsprechender Kraftaufwand nur für einen geringen Bruchteil der Auszugslänge zu Beginn des Auszuges aufzuwenden. Dieser lässt sich mithin recht zügig, fast unmerklich überwinden.

Danach erfolgt eine, wenn auch nicht exorbitante, so jedoch spürbare, permanente Zunahme des zum Auszug erforderlichen Kraftaufwandes; der Bogen lässt sich mithin moderat weiter ausziehen.

Ungefähr ab der Hälfte des möglichen Auszuges ist ein kurzzeitiger Abfall des zum Auszug notwendigen Kraftaufwandes zu verzeichnen. Aus diesem Tal kehrt der Bogen jedoch recht schnell wieder zum vorangehenden Auszugsverhalten mit permanenter Zunahme der zum Auszug möglichen Kraft zurück.

Ungefähr im letzten Viertel des Auszuges erfolgt ein dann doch recht spürbarer Anstieg der zum Auszug notwendigen Kraft, der sich zum Ende des Auszuges hin unangenehm exponiert – der Bogen stackt im Bereich von 31- 32 Zoll Auszug merklich; verhindert ein weiteres Ausziehen.

Auszugskurve anbei.

Abschußverhalten
Abschussart und verwendetes Material

Abschußart:

Der Bogen wurde unter Verwendung eines zylindrischen Daumenrings im chinesisch-mandschurischen Stil sowie mit einem sich an mutmaßlich osttürkischen Vorbildern orientierenden Daumenring mit drei Pfeilen eines Auszuges von 32 Zoll geschossen.

Pfeilmaterial:

Pfeil 1 - Aluminium - Easton XX 75 Legacy; Spine 2216; Länge 32 Zoll; Durchmesser 11/32 ``; gerader Schaft; 125 - grn. – Schraubspitze mit Insert; Plastikklebenocke; Befiederung mit drei Federn in Shieldform zu je fünf Zoll Länge; Gesamtpfeilgewicht 545 grn. – 13,2 gpp (bei Auszug von 32 Zoll).

Pfeil 2 - Aluminium - Easton XX 75 Legacy; Spine 2219; Länge 32 Zoll; Durchmesser 11/32 ``; gerader Schaft; 125 - grn. – Schraubspitze mit Insert; Plastikklebenocke; Befiederung mit drei Federn in Shieldform zu je fünf Zoll Länge; Gesamtpfeilgewicht 570 grn. – 13,9 gpp (bei Auszug von 32 Zoll).

Pfeil 3 - Carbon – Heritage Carbon Express Traditional; Spine 250; Länge 32 Zoll; Durchmesser 0,306 ``; gerader Schaft; 125 - grn. – Schraubspitze mit Insert; Plastikstecknocke; in Shieldform zu je fünf Zoll Länge; Gesamtpfeilgewicht 516 grn. – 12,6 gpp (bei Auszug von 32 Zoll).

subjektiver Eindruck:

Reflexbogen gerieren aufgrund des Reflexes der Wurfarme und der Länge der Wurfarmenden sowie der Sehnenbrücken beim Abschuss Schwingungen, welche als Handschock wahrgenommen und vom Schützen durch entsprechende Schusstechnik absorbiert werden müssen.

Dies erfordert einige Übung und erschwert, insbesondere für Anfänger, das Schießen mit Bogen dieser Bauart teilweise erheblich.

Die Stärke etwaigen Handschockes ist von der des Reflexes, der Länge der Wurfarmenden und deren Arbeitsweise (dynamisch oder statisch) abhängig-

Der getestete Bogen entwickelte bei Verwendung des für ihn herstellerseitig als ideal bezeichneten Pfeilgewichtes einen nur bei dem leichtesten der drei verwendeten Pfeile (Pfeil drei) wahrnehmbaren leichten, jedoch prägnant - harten Handschock, nebst leichtem Nachschwingen des Bogens.

Die Energieabgabe beim Abschuss erfolgte bei Verwendung der Pfeile Nummer eins und  zwei sehr gemächlich und mit nur schwerfälligem Schub und nachfolgendem, laschen Wabbeln. Man merkte, dass die Pfeilgewichte für den Bogen zu hoch waren.

Bei der Verwendung des Pfeiles Nummer drei erfolgte die Energieabgabe sehr zügig, insbesondere kurz vor dem Lösen des Pfeiles von der Sehne hatte man den Eindruck, als ob der Pfeil noch eine zusätzlichen Extraschub mit gewissem Hang zur Explosivität – abgeschlossen von oberwähntem Handschock - erhielt.

Durch einen gewissen Druck aus der Bogenhand auf den Bogen, welcher beim Abschuss ein leichtes Kippen des oberen Wurfarmendes gen Ziel nach sich zog, konnte dieser Effekt noch etwas verstärkt werden.

In diesem Falle zeigte sich auch eine recht hohe Durchschlagskraft des verwendeten Pfeiles im Ziel. Insofern schien das verwendete Pfeilgewicht geeignet zu sein.

Der Flug der Pfeile Richtung Ziel war ruhig und gerade, jedoch war spürbar, dass der Bogen zwar geringe Schießfehler verzeihen, bei gröberen Solchen diese jedoch recht merklich mit einem unruhigen Pfeilflug und Abirren von der erwünschten Ideallinie quittieren würde.

Betrachtete man insbesondere den verwendeten Pfeil Nummer drei, entstand das Gefühl eines schnellen Abschusses mit Hang zur Explosivität, jedoch mit einer Tendenz, nicht jeden Schießfehler zu verzeihen.

Es kann vermutet werden, dass die Ursachen für den nur leichten, aber prägnanten Handschock sowie den Hang zur explosionsartigen Energieabgabe zum Ende des Schusses hin, in den an historische Vorbilder aus dem Bereich türkischer oder tatarischer Bogen stammenden, stark reflexen, aber kurzen Wurfarmenden, den flachen Sehnenbrücken und der einer Dynamischen ähnelnde Arbeitsweise der Wurfarmenden zu suchen sind.

Dies gilt auch für den Umstand, dass der Bogen – wie kürzere Bogen im Allgemeinen – eben nicht jede Schußungenauigkeit verzeiht.

Der Umstand, dass nicht jeder Schießfehler sofort negative Auswirkungen auf das Schußergebnis zeitigte, wird wohl aus den etwas breiteren und längeren Wurfarmenden resultieren, die im Bogendesign der Yuan –Dynastie mit ihre Wurzeln haben.

Schlußendlich ist sicher auch die Materialkomposition für das erwähnte Nachschwingen mitverantwortlich.

Ungeachtet dessen ist das dynamische Abschussverhalten angesichts der gemeinhin als nicht sonderlich leistungsfähig vorverurteilten Holz-Glasfiber-Kombination beachtlich.

objektiver Eindruck - Ergebnisse Geschwindigkeitsmessung sowie „Dynamic Efficiency“ (lt. Auszugsdiagrammformel)

Der vorerwähnten Testpfeile wurde mehrfach über ein offenes, wie geschlossenes Chronometer geschossen.

Geschwindigkeitsmittel:

Testpfeil - 1 160 fps.

Testpfeil - 2 154 fps.

Testpfeil - 3 167 fps.

Dynamic Efficiency:

Testpfeil - 1 - 72 %

Testpfeil - 2 - 69 %

Testpfeil - 3 – 74 %

Der Testpfeil Nummer drei erwies sich somit neben der subjektiven Wahrnehmung auch objektiv als der Geeignetste.

Die unter seiner Verwendung erreichten Werte liegen im oberen Bereich dessen, was bei der Materialkombination Glasfiber-Holz-Bogen gemeinhin erreicht wird und ziehen sogar mit einigen laminierten Bogen gleich. Ursache dessen wird sicher auch die im Bogen erfolgte Kombination von Stilelementen diverser Epochen sein.

Ungeachtet dessen war es jedoch nicht möglich, die Vorteile aller dieser Elemente – Schussruhe und explosionsartige Geschwindigkeitsentfaltung - miteinander zu kombinieren, ohne jedoch auch einige derer typischen Nachteile - wie Handschockneigung, niedrigere Geschwindigkeit durch keine allzu kurzen Wurfarme sowie keine allumfassende Fehlerverzeihung - zumindest teilweise in Kauf nehmen zu müssen.

Gegebenenfalls lassen sich noch Verbesserungen bei den Geschwindigkeitswerten erreichen, wenn man das Pfeilgewicht hin zum herstellerseits angegebenen Mindestpfeilgewicht hin verringert. Vermutlich wird sich dann aber auch die Handschockbelastung noch etwas erhöhen.

Fazit

Der Bogen stellt – auch wenn er in keiner historischen Tradition steht - eine interessante, solide verarbeitete Kombination aus Stilelementen verschiedener Bogentraditionen dar.

Das exklusive Design geriert bei moderatem Auszugs- und Schußverhalten für Bogen aus den verwendeten Materialien gute bis sehr gute Ergebnisse.

Insofern ist der Versuch, mit dem Bogen die Vorteile diverser Bogendesigns miteinander zu kombinieren, gelungen.

Jedoch konnten die den Kombinierten originär innewohnenden Nachteile nicht vollständig eliminiert werden. Mit ihnen muss der Verwender ebenso, wie mit den materialbedingten Unzulänglichkeiten umgehen.

Insofern ist dieser Bogen für Interessenten prädestiniert, welche, neben einer optisch auffälligen Form, einen Mittelweg zwischen dem explosiv-giftigen, wenig fehlerverzeiendem Schußverhalten stark reflexer, kurzer Bogen und dem ruhigen solchen weniger aggressiv gestalteter, längerer Bogen suchen.

Auch dem, der einen Übergang hin zu kurzen, stark reflexen Bogen sucht, wird mit dem Bogen ein brauchbares Trainingsgerät an die Hand gegeben.

Allerdings scheint der Preis des Bogens angesichts des Vorangesagten etwas übersetzt.

Auszugsdiagramm