Nach Verbesserungen entsprechender Vorgängermodelle brachte der chinesische Bogenbauer Zhang Li im Jahre 2019 / 2020 einen laminierten Bogen mit der Bezeichnung "Ming Emperor III" auf den Markt.
Dabei handelt es sich um einen Bogen aus Bambus, Holz, Fiberglas und synthetischen Verbundwerkstoffen, welcher sich an Vorbildern orientiert, die in der Zeit der chinesischen Ming – Dynastie (1368 – 1644) als Jagd- und Kriegsbogen in Gebrauch waren.
Diese Bogen waren – insbesondere im Vergleich zu denen der vorangegangenen Yuan-, wie auch der nachfolgenden Mandschuh-/Qing-Dynastie – vergleichsweise kurz, filigran und weisen einen recht starken Reflex sowie relativ kurze, mit kleinen Sehnenbrücken versehene Wurfarmenden auf.
Die geringen Gesamtlänge gerierte eine gute Handhabbarkeit; Auszugslängen von über 32 Zoll waren aufgrund der kurzen Wurfarmenden, gepaart mit der insgesamt nur kurzen Länge der Bogen selten.
Die Form der Bogen erinnert stark an die koreanischer Bogen der damaligen und – wenn man einmal von den Korkummantelungen der Griffstücke sowie teilweise modernen Gestaltungen der „Nockkerben“ absieht – heutigen, modernen Zeit.
Dieses verwundert nicht, kam es doch Zeit der Ming-Dynastie - nach vorausgegangenen, wiederholten Einfällen chinesischer Truppen auf der koreanischen Halbinsel - in den Jahren 1370/1371 zur endgültigen Besatzung der koreanischen Gebiete durch das mingdynastische China und Anerkennung der chinesischen Suzeränität durch Korea (Fortdauer bis zur Ablösung im 19. Jh.). Diese bildet – bis 1644 - die Grundlage für einen Abwehrriegel Chinas gegenüber Bedrohungen durch Völkerschaften aus dem Nordosten (Mandschurei).
Dass im Zuge dessen Synergien zwischen chinesischen und koreanischen Waffensystemen, auch hinsichtlich der Form der Bogen, stattgefunden haben könnten, ist zumindest nicht unwahrscheinlich bzw. drängt sich durch die Ähnlichkeit der Bogenformen auf – obgleich bis heute ungeklärt ist, welche Form von welcher letztlich beeinflußt oder gar übernommen worden ist.
Stammdaten
Laminierter Bogen aus Bambus, Holz, Glasfiber und synthetischen Verbundwerkstoffen im Stil der Kriegs- und Jagdbogen Zeit der chinesischen Ming-Dynastie (1368-1644).
Hersteller: Zhang Li / Ali Bow, www.alibowshop.com
Länge Siyahende zu Siyahende abgespannt: 127 cm
Länge Siyahende zu Siyahende aufgespannt: 135,5 cm
Sehnenlänge abgespannt: 130 cm
Sehnenmaterial, -art und -stärke: Dyneema / Fast Fligth, 16 Strang; eine Verwendung von handelsüblichem Dacron B 50 ist möglich.
Zuggewicht: 45 lbs. @ 32 Zoll (Herstellerangabe) – 47,31 lbs. @ 32 Zoll (gemessen); - Auszugsdiagramm anbei
empfohlene Standhöhe: 6 1/3 – 6 3/4 Zoll = 16 - 17 cm
idealer Arbeitsbereich: 30 – 32 Zoll
max. Auszug: 32 Zoll
empfohlenes Pfeilgewicht: min. 10 gpp
Gewicht: 0,4 kg
Materialien:
Korpus/Kern/Wurfarme – Maulbeerholz, laminiert mit Bambus
Griffstück – Maulbeerholz, verblendet auf Bogenbauch und -rücken mit schwarz-weißen Zierelementen aus Fiberglas
Wurfarmenden / Siyahs – Maulbeerholz, laminiert mit Bambus
Tips / Nockinserts – Maulbeerholz, mit seitlichen Verplattungen aus schwarzem Fiberglas
Sehnenbrücken – Ebenholz und syntactischer Schaumstoff mit Keramikanteilen
Pfeilanlage - Einlage aus Rinderknochen
Laminierung des Korpus auf dem Bogenbauch und -rücken sowie am Übergang von Wurfarmen zu den Wurfarmenden und auf den Wurfarmenden – klares Fiberglas; jedoch optionale Farbstellungen möglich
Die Verwendung des synthetischen Verbundmaterials "syntactischer Schaumstoff " soll nach Angaben des Herstellers eine Reduzierung des Gesamtgewichts bzw. der betreffenden Elemente bewirken.
Bogenverlaufsform und Größenverhältnisse: sich an mingdynastischen Vorbildern orientierende, kürzere Bogenform, mit mittlerem Reflex von Wurfarmen (Länge je 42 cm; Breite max. 3,6 cm) und Siyahs (Länge je 26 cm)
Griffstück: Länge 15,5 cm; sehr schlank; konkav zum Bogenbauch hin zurückgesetzt; Bezug mit schwarzem, auf der Bogenrückenseite vernähtem Rindsleder
Fertigungszeit: März 2020
Preis: 300,- US-Dollar (März 2020)
Allgemeines zu Verarbeitung und Fertigung
Die Verarbeitung des Bogens ist solide. Es finden sich keine Unebenheiten, Verwerfungen, Kanten. Ebenso sind keine Blindheiten der Fiberglaslaminierungen oder ähnliches feststellbar.
Der gesamte Bogen wirkt „wie aus einem Guss“ und aufgrund der abgerundeten Gestaltung der Wurfarmenden mit den dortigen, schwarz verblendeten Tips/Nockinserts fast „stromlinienförmig weich“.
Aufgrund des sparsamen Materialeinsatzes wirkt die Gesamtkomposition fast etwas zu filigran oder zerbrechlich – wenngleich der Bogen dies nicht ist.
Die Verblendungen des Griffstückes am Bogenbauch und Rücken aus in Schwarz und Weiß gehaltenem Fiberglas wirken edel und gediegen. Dies gilt auch für das dort sichtbare, gemaserte Maulbeerholz des Griffstückes selbst.
Die im Bereich der Pfeilanlage beidseitig des Bogens eingelegten Rinderknochen sind dezent und funktionell gesehen eine gute Lösung als Ersatz für die an dieser Stelle an historischen Originalen oft zu findenden Bezüge aus Stachelrochenleder.
Hinsichtlich der farblichen Gestaltung der Wurfarme stehen herstellerseits verschiedene Möglichkeiten - von klar über schwarz bis zu diversen Farbstellungen - zur Verfügung.
Es gibt nur wenig zu bemängeln:
An den tip-/nockinsertseitigen Kanten der Sehnenbrücken zu deren Sehnenbetten hin waren kleine, scharfkantige Grate festzustellen.
Ebenso waren die filigranen Nockkerben im Innern etwas rau.
Im Hinblick auf die Haltbarkeit der Sehne war eine manuelle Nacharbeit durch Entgraten der Sehnenbrücken und der Nockkerben unumgänglich, um eine längerfristige Schädigung durch Abrieb zu verhindern.
Die Sehnenbrücken erscheinen angesichts historischer Vorbilder eigentümlich quaderförmig und im Vergleich zu den schlanken, filigranen Wurfarmenden / Siyahs etwas plump, obgleich sie mit dem in sie eingearbeiteten Sehnenbett ihrer Funktion vollauf gerecht wurden. Ein Vergleich mit anderen, ebenso mit Sehenbrücken ausgestatteten Bogentypen des Herstellers ergab, dass es sich hierbei um eine standardisierte, massenproduktionstaugliche Form handelt.
Aus der Erfahrung mit Bogen ähnlicher Bauart empfiehlt es sich, die Sehnenbrücken mit einem dünnen Leder- oder Filzüberzug zu versehen, um den Abrieb der Sehne an deren Kanten sowie den beim Aufschlag der Sehne auf die Brücken entstehenden Geräuschpegel zu minimieren.
Ebenso sollte in die Nockkerben ein sehr dünnes Leder eingeklebt werden, um einem – bei den meisten Bogen an diesen Stellen erfolgenden - Aufscheuern der Sehne zu begegnen oder es zumindest hinauszuzögern zu suchen.
Unpraktisch ist der Bezug des Griffstückes mit schwarzem, auf der Bogenrückenseite vernähtem Rindsleder: Die (verflochtene) Naht stört das Griffgefühl beim Schießen – insbesondere mit einem solch filigranen Bogen - erheblich.
Hier wurde wohl gut gemeinter Verzierung der Vorzug vor Praktikabilität gegeben. Das Leder sollte somit gegen ein ohne Naht zu Verklebendes ausgetauscht werden.
Zusammenfassend kann somit zur Verarbeitungsqualität konstatiert werden, dass diese sehr solide ist und die wenigen Mängel fast nicht ins Gewicht fallen.
Auszugs- und Schußverhalten
Auszugsverhalten
Im ersten Drittel läßt sich der Bogen aufgrund der stark reflex gekrümmten, einen Hebel gerierenden Wurfarmenden nahezu widerstandslos ausziehen. Eine Art zu überwindender Vorspannung ist fast nicht zu bemerken.
Bis zur Mitte des möglichen Auszuges ist ein moderater, jedoch stetiger Anstieg des Zuggewichtes zu verzeichnen.
Dieser potenziert sich ab der Mitte des möglichen Auszuges merklich, obgleich man immer noch das Gefühl hat, den stärker werdenden Bogen noch „weich“ ausziehen zu können.
Zum Maximalauszug hin wird der Auszug dann merklich sehr kraftaufwendig – auch wenn ein „Stacking“ im Sinne eines nicht mehr möglichen, weiteren Ausziehens nicht zu verzeichnen ist.
Dieses Auszugsverhalten ist im wesentlichen Resultat des Kompromisses, der sich in der Bauform des Bogens wiederspiegelt:
Zwar gerieren die stark reflex gekrümmten, dynamisch arbeitenden Wurfarmenden beim Auszug einen Hebel, der im Sinne des Hebelgesetzes den zum Auszug erforderlichen Kraftaufwand für eine gewisse Länge des Auszuges in Grenzen hält.
Da jedoch die Wurfarmenden, wie auch der Bogen an sich recht kurz gehalten, sind der Möglichkeit, Hebelverhältnisse zur Erleichterung des Auszuges auszunutzen, Grenzen gesetzt: Der Auszug lässt sich nur bis zu einer gewissen Auszugslänge kraftsparend verlängern, danach wird der Nutzer mit der gemeinen Notwendigkeit, kraftintensiv ohne weitere Hilfen das Zuggewicht bewältigen zu müssen konfrontiert.
Die aufgrund der geringeren Länge bessere Handhabbarkeit des Bogens bezahlt man hier somit mit einem etwas ungünstigeren Kraftverhältnissen beim Auszug.
Auszugskurve anbei.
Abschußverhalten
Abschussart und verwendetes Material
Abschußart:
Der Bogen wurde unter Verwendung eines lippenförmigen Daumenrings, wie er mutmaßlich Zeit der Ming-Dynastie in Gebrauch war, mit drei Pfeilen eines Auszuges von 32 Zoll geschossen.
Pfeilmaterial:
Pfeile aus modernen Materialien:
Pfeil 1 - Aluminium - Easton XX 75 Legacy; Spine 2216; Länge 32 Zoll; Durchmesser 11/32 ``; gerader Schaft; 100 - grn. – Schraubspitze mit Insert; Plastikklebenocke; Befiederung mit drei Federn in Shieldform zu je fünf Zoll Länge; Gesamtpfeilgewicht 557 grn. – 11,7 gpp (bei Auszug von 32 Zoll).
Pfeil 2 - Aluminium - Easton XX 75 Legacy; Spine 2219; Länge 32 Zoll; Durchmesser 11/32 ``; gerader Schaft; 125 - grn. – Schraubspitze mit Insert; Plastikklebenocke; Befiederung mit drei Federn in Shieldform zu je fünf Zoll Länge; Gesamtpfeilgewicht 631 grn. - 13,3 gpp (bei Auszug von 32 Zoll).
Pfeil 3 - Carbon – Heritage Carbon Express Traditional; Spine 250; Länge 32 Zoll; Durchmesser 0,306 ``; gerader Schaft; 125 - grn. – Schraubspitze mit Insert; Plastikstecknocke; Befiederung mit drei Federn in Shieldform zu je fünf Zoll Länge; Gesamtpfeilgewicht 519 grn. – 10,9 gpp (bei Auszug von 32 Zoll).
subjektiver Eindruck
Bogen in, wie hier vorliegend, kurzer Bauweise mit recht kurzen, stark reflex gekrümmten, filigranen Wurfarmenden gerieren aufgrund des Reflexes der Wurfarme, der Kürze der Wurfarmenden und der aufgrund der Filigranität des Bogens geringen Masse nur moderate Schwingungen beim Abschuß, welche als Handschock wahrgenommen und vom Schützen durch entsprechende Schusstechnik absorbiert werden müssten.
Einzig der Aufschlag auf Sehenbrücken ist hier per se prädestiniert, zusätzliche Schwingungen zu gerieren, die einen Handschock hervorrufen.
Allerdings kann es aufgrund der geringeren Länge des Bogens zu einem sensiblen Schußverhalten kommen, mithin der Bogen empfindlich auf Unsauberkeiten der Schußtechnik reagieren.
Der getestete Bogen entwickelte bei Verwendung des ersten Pfeiles einen nur minimalen Handschock. Bei dem schwereren, zweiten Pfeil war kein solcher mehr wahrnehmbar. Bei der Verwendung des leichtesten, dritten Pfeiles wahr fast kein Unterschied zum ersten Pfeil hinsichtlich des Schußkomforts festzustellen.
Die Energieabgabe beim Abschuss erfolgte außerordentlich gleichmäßig:
Zwar ohne Tendenz zu Ruckartigkeit oder Explosivität, jedoch konstant sehr kräftig.
Daher wurde selbst der zweite Pfeil als der Schwerste zwar ruhig, dennoch aber recht zügig gen Ziel befördert. Beim Abschuß des leichtesten Pfeiles hatte man das Gefühl eines außerordentlich schnellen Abschusses.
Auf Fehler in der Schußtechnik reagierte der Bogen moderat:
Unsauberer oder schwacher Ablass gerierte einen gewissen Verlust an Abschußgeschwindigkeit sowie einen leicht unsauberen Pfeilflug. Jedoch hielt sich dieses noch in Grenzen, sodass der Bogen nicht als unverhältnismäßig empfindlich gegenüber Schießfehlern bezeichnet werden kann.
Bei guter Schußtechnik entstand dagegen das Gefühl sehr schnellen, gleichsam durchdringenden Abschusses.
objektiver Eindruck - Ergebnisse Geschwindigkeitsmessung sowie „Dynamic Efficiency“ (lt. Auszugsdiagrammformel)
Die vorerwähnten Testpfeile wurde mehrfach über ein offenes, wie geschlossenes Chronometer geschossen.
Geschwindigkeitsmittel Pfeil 1: 176 fps.
Dynamic Efficiency: 75,43 %
Geschwindigkeitsmittel Pfeil 2: 164 fps.
Dynamic Efficiency: 74,20 %
Geschwindigkeitsmittel Pfeil 3: 178 fps.
Dynamic Efficiency: 71,89 %
Die Ergebnisse liegen im Rahmen des für Bogen dieser Bauart zu Erwartenden:
Bogen dieser kürzeren Bauart gerieren – auch bei schwereren Pfeilen - höhere Pfeilgeschwindigkeiten, gepaart mit guter Handhabbarkeit.lenden
Fazit
Im Endergebnis ein sich an traditionellen Vorbildern orientierender Bogen mit entsprechendem Auszugs- und gutem Schussverhalten. Die Komposition von Bogendesign und Werkstoffen ist im Hinblick auf die Funktionalität als sehr gut zu bezeichnen.
Die Verarbeitung ist hervorragend; die geringen Mängel fallen nicht ins Gewicht - das Griffleder sollte dennoch ersetzt werden.
Das Modell kann aufgrund der Anlehnung an historische Vorbilder sowie seiner Leistungsfähigkeit ambitionierten Schützen, aber auch fortgeschrittenen Anfängern empfohlen werden, welche ihre Schußtechnik schon etwas gefestigt haben. Bei korrekter Handhabung sind sehr gute Ergebnisse zu erwarten; kleinere Schießfehler werden sich nicht zu desaströs auswirken.
Aufgrund der filigranen Ausführung ist etwas Obacht im Umgang mit dem Bogen, insbesondere beim Auf- und Abspannen von Nöten, um zu verhindern, dass es zu Beschädigungen kommt.
Der Preis des Bogens erscheint angesichts des Vorangesagten angemessen.