Mandschurischer Horn-Sehnen-Kompositbogen von André Brennecke
Stammdaten

Horn-Sehnen-Komposit-Bogen im Stil der Kriegs- und Jagdbogen der chinesischen Mandschu-/Qing-Dynastie (1644-1911). Individuelle Auftragsarbeit.

Hersteller: André Brennecke, www.archerybrennecke.de

Länge Siyahende zu Siyahende abgespannt: 125 cm

Länge Siyahende zu Siyahende aufgespannt:  147 cm

Sehnenlänge abgespannt: 145 cm

Sehnenmaterial, -art und -stärke:  Fast Fligth, traditionelle, dreiteilige Endlossehne (Verwendung einfacher Endlossehne möglich), 20 Strang.

Zuggewicht: 55 lbs. @ 32 Zoll (Auszugsdiagramm anbei)

empfohlene Standhöhe: 6 1/4 –  6 3/4 Zoll

max. Auszug: 32 Zoll

Gewicht: ca. 0,73 kg

Materialien: Rahmen – Bergahorn; Siyahs bzw. deren Enden – Wasserbüffelhorn bzw. seitliche Verstärkung mit Wasserbüffelhornplatten; Sehnenbrücken - Feldahorn; Rückenbelag - Hirschehne, belegt mit Birkenrinde; Bauchbelag - Wasserbüffelhorn

Bogenverlaufsform und Größenverhältnisse: ausgeprägter, für mandschurische Bogen typischer Refelex von Wurfarmen (Länge je 45 cm; Breite max. 4 cm) und Siyahs (Länge je 25 cm)

Griffstück: schlank; gerade; spiralförmig mit glattem Wildlederband auf Glattlederunterlage umwickelt; Grundbezug nebst Bereiche der Pfeilanlage: grünes Stachelrochenleder.

Verzierungen und Bemalung: stilisierte Fledermaus- und Wan-Sui- (Langlebigkeits-) Symbole auf dem Rindenbelag des Bogenrückens; Glückssymbole am Spleisübergang der Siyahs; Bemalung mit Acrylfarbe

Mandschurischer Horn-Sehnen-Kompositbogen von André Brennecke
Mandschurischer Horn-Sehnen-Kompositbogen von André Brennecke
Mandschurischer Horn-Sehnen-Kompositbogen von André Brennecke

Oberflächenversiegelung:  12 Lagen Hartöl     

Fertigungszeit: Februar 2013 bis Mai 2014

Preis: VHB

Allgemeines zu Verarbeitung und Fertigung

Die Verarbeitung des Bogens ist sehr solide, stabil und sauber.

Bezüglich des Zuggewichtes wurde nur geringfügig von dem Bestellten abgewichen. Damit hebt sich der Bogenbauer bemerkenswert von anderen Konstrukteuren solcher Bogen im In- und Ausland ab, welche bei der Fertigung von Horn-Sehnen-Komposit-Bogen oft  nicht in der Lage sind, die erwünschten oder bestellten Zuggewichte ohne erhebliche Differenzen zu realisieren und es infolgedessen oft zu Frustrationen bei den Kunden kommt.

Die Auslieferung erfolgt mit einer Fast-Fligth-Sehne im traditionellen, dreiteiligen Stil. Die Verwendung einer einteiligen Endlossehne ist möglich.

Auszugs- und Schußverhalten:
Auszugsverhalten

Im ersten Drittel des Auszuges wird man mit einem typischen Phänomen eines mandschurischen Bogens konfrontiert:

Aufgrund des starken Reflexes und der langens Siyahs ist eine hohe Vorspannung vorhanden, ähnlich, wie sie von modernen Compoundbogen bekannt ist (Insofern ist es auch sicher kein fauxpas, wenn man formulieren würde, dass Compoundbogen die „moderne Variante“ dieser Form von Kompositbogen wären…).

Diese muss vom Schützen zunächst überwunden werden, welches sich bei der Anwendung einer Auszugstechnik, welche den Auszug erst nach einem Anheben des Bogens über das Ziel hinaus beginnen läßt, als schwierig erwies. Ein Auszug in Hybridtechnik nahm sich hingegen vorteilhafter aus.

Nach Überwindung der Vorspannung läßt sich der Bogen recht „weich“ bzw. angenehm ausziehen; erst im Verlauf des letzten Drittels des vom Autor realisierbaren Vollauszuges von 32 Zoll war ein moderates Ansteigen des zum Auszug notwendigen Kraftaufwandes zu verzeichnen.

Subjektiv gesehen konnte bei Erreichen des Vollauszuges von einem sogenannten „satten Auszugsgefühl“ sprechen. Ein Stacking war nicht zu bemerken. Testweise erfolgte ein weiterer Auszug bis zur Länge von 34 Zoll; auch hierbei war noch kein Stacking zu verzeichnen.

Abschußverhalten Bogen

Der Bogen wurde mittels der gelieferten Fast-Filghtsehne sowie einer einteiligen Fast-Fligth-Endlossehne und Daumenablass unter Verwendung eines zylindrischen Daumenrings im chinesisch-mandschurischen Stil geschossen.

Die Energieabgabe beim Abschuß erfolgte gleichmäßig, ruhig und stabil.

Bauartbedingt gerierte der Bogen – starker Reflex, lange Siyahs sowie große Sehnenbrücken – zum Ende des Abschusses hin einen gewissen Handschock.

Dieses ist typisch für mandschurische Bogen und vom Schützen hinzunehmen bzw. muss durch entsprechende Druckverhältnisse am Griff sowie die Verwendung schwerer Pfeile zu absorbieren gesucht werden.

Der Schütze, welcher diese Art von Bogen schießen will, hat sich damit entweder abzufinden oder muss sich auf eine andere Art von Bogen focussieren.

Er sollte sich auch dessen gewärtig sein, dass diese Art von Bogen vorrangig keine solchen sind, die ohne sonderliche Mühen befähigen, auf 3-D- oder ähnlichen Turnieren Erfolge erzielen zu können. Eingedenks ihrer ursprünglichen Bestimmung als Jagd- und Kriegsbogen zum Verschießen langer und schwerer Pfeile auf Großwild oder schwer gepanzerte Gegner ist dafür erheblich mehr Aufwand zu betreiben, als etwa mit einem gängigen „Reiterbogen von der Stange“, wie etwa türkischen Modellen oder solchen der koreanischen Firma Kaya.

Verwendetes Testmaterial
Abschussmaterial im Allgemeinen

Aus den vorgenannten Gründen wurden Bogen dieser Bauart nur mit schweren Pfeilen unter Verwendung schwerer Spitzen und langer, den Pfeilflug schnell stabilisierender Befiederung geschossen. Dass dadurch die Reichweite sowie die Pfeilgeschwindigkeit limitiert, wurde, unter anderem zugunsten einer höheren Treffsicherheit und Durchschlagskraft, hingenommen.

Daher verzichtete man hinsichtlich des zu Testzwecken verwendeten Pfeilmaterials von vornherein auf die Verwendung leichter oder „ultraleichter“, dünner Pfeile. Der Bogenbauer gab zudem hinsichtlich des empfohlenen Pfeilgewichtes selbst eine Empfehlung von 600 grains/pp als Untergrenze ab, um eventuelle Leerschußeffekte zu vermeiden.

Als Pfeilmaterial kamen daher schwerere Aluminium- und Holzschäfte. Letztere wurden, teilweise durch asymetrisches Barreln sowie Ausarbeitung konisch-taillierter Nocken, an die traditionelle Pfeilgeometrie anzupassen gesucht.

Partiell erfolgte ein Nachempfinden traditionell gebräuchlicher Nock- und Schaftverstärkungen mit unterschiedlichen Leder- und Rindenarten.

Zudem wurden die Pfeile in fast allen Fällen mit einer, den Originalen angenäherten, langen Befiederung in entsprechender Federform versehen. Nur bei einem Pfeil wurde eine heute gebräuchliche, fünfzöllige Shieldbefiederung verwendet.

Um ein volles Ausnutzen der dem Autor maximal möglichen Auszugslänge zu ermöglichen, wurde eine Pfeillänge von 32 Zoll (Nockboden bis Spitzensockel) gewählt.

Als Spitzen kamen aus Vereinfachungsgründen Klebe- oder Schraub- bzw. einfache Schaftdornvarianten der bekannten 3-D-Combo-Spitzen zum Einsatz.

Abschußmaterial im Besonderen

Pfeil 1 – Aluminiumpfeil Easton XX 75 Legacy 2219, Länge 32´´, Durchmesser 11/32, 125-grs.-Insertspitze, Dreifachbefiederung mit Federn 5-Zoll-Shield, Gesamtgewicht 40,4 Gramm / 623 grain

= 19,5 gpi

= 11,3 gpp

Pfeil 2 – Aluminiumpfeil Easton XX 75 Legacy 2219, Länge 32´´, Durchmesser 11/32, 125-grs.-Insertspitze, Dreifachbefiederung mit Federn 26 cm in gestreckter Parabolform, Gesamtgewicht 41 Gramm / 634 grain

= 19,8 gpi

= 11,5 gpp

Pfeil 3 – Holzpfeil Birke, Spine 55-60, Länge 32´´, Durchmesser 23/64´´, asymetrisch gebarrelt auf 11/32´´, konisch-taillierte Nocke, 125-grs.-Klebespitze, Dreifachbefiederung mit Federn 26 cm in gestreckter Parabolform, Gesamtgewicht 42,5 Gramm / 655 grain

= 20,5 gpi

= 11,9 gpp

Pfeil 4 – Holzpfeil Esche, Spine 80-85, Länge 32´´, Durchmesser 3/8´´, asymetrisch gebarrelt auf 23/63´´, konisch-taillierte Nocke, 125-grs.-Schraubspitze, Dreifachbefiederung mit Federn 26 cm in gestreckter Parabolform, Gesamtgewicht 48,5 Gramm / 748 grain

= 23,4 gpi

= 13,6 gpp

Pfeil 5 – Holzpfeil Birke, Spine 55-60, Länge 32´´, Durchmesser 23/64´´, gerader Schaft, konisch-taillierte Nocke, verstärkt mit geschliffenem Stachelrochenleder, Taillienbereich verstärkt mit geschliffener Kirschrinde, 125-grs.-Schaftdornspitze, Dreifachbefiederung mit Federn 26 cm in gestreckter Parabolform, Gesamtgewicht 47 Gramm / 724 grain

= 22,6 gpi

= 13,1 gpp

Abschussverhalten Pfeile

Durch das alles in allem ruhige und stabile Abschußverhalten konnten die Pfeile trotz des erwähnten Handschocks geradlinig, ohne nennenswertes Wedeln abgeschossen werden. Der Handschock reduzierte sich mit Zunahme des Gewichtes der Pfeile.

Hinsichtlich der Alluminiumpfeile hinterließ Pfeil Nummer zwei bei geringem Handschock und ruhigem Flug subjektiv den besseren Eindruck. Pfeil Nummer eins hingegen gerierte einen ausgeprägteren Handschock und Neigung zu unruhigem Flugverhalten.

Von den Holzpfeilen vermittelte der Pfeil Nummer drei das schnellste, Pfeil 4 das sicherste, nahezu handschockloseste Schußgefühl. Der Spine des Pfeil Nummer drei erwies sich jedoch als zu niedrig.

Pfeil Nummer fünf erwies sich im Hinblick auf einen komfortablen Abschuß und effizienten Pfeilflug trotz deines geringeren Gewichtes im Vergleich zu Pfeil Nummer vier als ungeeignet.

Ergebnisse
Ergebniswerte Geschwindigkeitsmessungen (Chronometer)

Pfeil 1: 171 ft/sec

Pfeil 2: 156 ft/sec

Pfeil 3: 158 ft/sec

Pfeil 4: 153 ft/sec

Pfeil 5: 139 ft/sec.

Ergebniswerte Schußweitenmessungen (Abschußwinkel 45 Grad)

Pfeil 1: 175 m

Pfeil 2: 159 m

Pfeil 3: 159 m

Pfeil 4: 155 m

Pfeil 5: 142 m

Letztlich empfahl sich nach subjektivem Empfinden der Pfeil Nummer zwei als anspruchsloser und resistenter Pfeil für den alltäglichen Trainingsbetrieb.

Hinsichtlich der Holzpfeile wäre der Pfeil Nummer drei unter der Prämisse eines erheblich höheren Spines von 80-85 lbs. bei möglichst konstant zu haltendem Gesamtgewicht wohl eine gute Wahl.

Wartung und Pflege

Der Umgang mit dem Bogen verlangt einiges Fingerspitzengefühl:

Das Aufspannen kann mittels Durchsteigemethode erfolgen. Jedoch sollte wegen der hierbei notwendigen Fixation der langen, empfindlichen Siyahs und langsamen, schrittweisen Zurückführen des Reflexes sowie der zusätzlich bestehenden Verwindungsgefahr eine gewisse, dahingehende Erfahrung vorhanden sein. Ebenso ist das Aufspannen über die Kniee möglich, wozu jedoch zwei Personen benötigt werden.

Aufgespannt muß der Bogen auf Geradlinigkeit kontrolliert und bei Abweichungen gerichtet werden. Weiterhin benötigt er vor dem ersten Schießen eine längere Ruhezeit, um sich auf sein reales Zuggewicht zu setzen. Hat er dieses erreicht, ist ein Aufgespanntlassen für einige Tage - entgegen landläufigen Meinungen – möglich, ohne dass Schäden befürchtet werden müßten.

Weiterhin ist der Bogen vor jedem Schuß auf ein korrektes Aufsitzen der Sehne insbesondere auf den Sehnenbrücken zu kontrollieren.

Ein Schießen bei Feuchtigkeit oder Regen ist ohne Probleme möglich; nur sollte der Bogen nach einem solchen Einsatz trockengewischt und zum weiteren Trocknen in gut durchlüfteter Umgebung abgelegt werden.

Letztlich sollte die Hartölimprägnierung alle zwei bis drei Monate durch Aufbringen von zwei bis drei neuen Lagen Hartöl in Wischtechnik aufgefrischt werden.

Fazit

Ein exzellent verarbeiteter Bogen in exklusivem Design mit gutem, typischen Auszugs- und Schußverhalten, der seinen historischen Vorbildern außerordentlich nahe kommt.

Aufgrund der aufgezeigten Besonderheiten einerseits sowie der Handhabung als Kompositbogen an sich andererseits, ist jedoch zu konstatieren, dass dieser Bogen kein solcher für Anfänger oder Schützen ist, die meinen, „der Vollständigkeit halber nun auch einmal einen Kompositbogen“ schießen oder besitzen zu müssen.

Vielmehr handelt es sich um ein Liebhaberstück, welches nur eine singuläre Gruppe von Enthusiasten ansprechen dürfte, will heißen, dass man eine gewisse Vorliebe für diese Art von Bogen und deren Schußverhalten haben, wenn man mit einer Anschaffung liebäugeln sollte.

Der Bogen räumt weiterhin gründlich mit dem immer wieder kursierenden – im Übrigen historisch nicht belegbaren - Vorurteil auf, dass Kompositbogen mit „niedrigen Zuggewichten“ entweder nicht zu konstruieren oder nicht leistungsfähig wären (vgl. etwa zum Nachweis „niedriger“ Zuggewichte in der Zeit der chinesischen Ming-Dynastie, Selby, „Chinese Archery“, Hong Kong 2000, S. 281 ff. mwN). Er beweist schlichtweg das Gegenteil.

Auszugsdiagramm