tibetisch - mandschurischer Bogen "Tibetan Qinghai" von Zhang Li / Ali Bow (Ausführung Glasfiber/Holz)

Im Ergebnis der Pflege und Weiterentwicklung von Bogen gehört ein als „Tibetan Qinghai" bezeichneter Bogen seit längerer Zeit zu den bewährten Modellen des chinesischen Bogenbauers Zhang Li.

Dabei handelt es sich um einen Bogen aus Glasfiber und Holz, welcher sich an Vorbildern orientiert, die sich Zeit des Protektorats bzw. nachfolgender Suzeränität der Qing-Dynastie über das Gebiet des "Tibetischen Reiches" eingangs bzw. Mitte des 18. Jahrhunderts dort entwickelten und als dominant durchsetzen sowie in das angrenzende Gebiet der heutigen, chinesischen Provinz Qinghai einsickerten. Aus dieser historischen, wie geographischen Präferenz rührt letztlich auch die Bezeichnung „Tibetan Qinghai".

Im Ergebnis dessen sind diese Bogen ähnlich wie mandschurische Bogen konstruiert, jedoch in ihrer Gesamtheit weniger lang als diese; ihr Reflex ist weniger stark ausgeprägt; die Siyahs sind im Verhältnis zu den Wurfarmen etwas verkürzt.

Die Auszugslängen sind mit in der Regel 32 - 33 Zoll etwas kürzer als bei ihren Vorbildern. Der Auszug lässt sich im Vergleich zu jenen als weniger komfortabel und effizient bezeichnen, da die Hebelverhältnisse ungünstiger gestaltet sind.

Vom Abschuss her sind diese Bogen jedoch einfacher zu handhaben, da es aufgrund der geringeren Bogenlänge, kürzerer Siyahs und weniger ausgeprägten Reflexes zu einem signifikant geringeren Handschock kommt. Auch wird aufgrund der geringeren Länge der Bogen die Handhabung im Allgemeinen oft als komfortabler empfunden.

Das Modell des Bogens bietet der Bogenbauer auch in einer Ausführung als laminierter Bogen an.

Stammdaten

Holz-Glasfiber-Bogen im Stil tibetisch - mandschurischer Kriegs- und Jagdbogen Zeit der chinesischen Mandschu-/Qing-Dynastie (1644-1911)

Hersteller: Zhang Li / Ali Bow, www.alibowshop.com

Länge Siyahende zu Siyahende abgespannt: 126 cm

Länge Siyahende zu Siyahende aufgespannt: 136 cm

Sehnenlänge abgespannt: 132,5 cm

Glasfiber - Holz - Bogen von Zhang Li / Ali Bow - aufgespannt
Glasfiber - Holz - Bogen von Zhang Li / Ali Bow - abgespannt

Sehnenmaterial, -art und -stärke: Dyneema / Fast Fligth, 16 Strang; eine Verwendung von handelsüblichem Dacron B 50 ist möglich.

Zuggewicht: 28,13 lbs. @ 30 Zoll (gemessen); 32,84 lbs. @ 32 Zoll (gemessen); 35,7 lbs. @ 33 Zoll (gemessen) - Auszugsdiagramm anbei

empfohlene Standhöhe: 6 1/4 Zoll / 16 cm

idelaer Arbeitsbereich: 30 – 33 Zoll

max. Auszug: 33 Zoll

empfohlenes Pfeilgewicht: min. 12 gpp

Gewicht: 0,58 kg

Materialien: 

Korpus/Kern/Wurfarme – Glasfiber

Griffstück und Wurfarmenden / Siyahs sowie Sehnenbrücken – Maulbeerholz

Tips - Nockinserts – keine / anstehendes Material der Wurfarmenden

Laminierung des Korpus auf dem Bogenbauch und -rücken sowie dem Übergang von Wurfarmen zu den Wurfarmenden – braunes Rindsleder, optional in anderen Farbstellungen sowie in Schweinsleder- oder Schlangenhautbezug erhältlich

Übergänge des Griffstückes zu den Wurfarmen (Pfeilanlage) - jeweils mit schwarzem, weichem Wild-/Nubukleder cuvertiert

Übergänge vom Griffstück zu den Wurfarmen sowie von den Wurfarmen zu den Wurfarmenden - mit Wicklungen aus gröberen Garnmaterial versehen

Glasfiber - Holz - Bogen von Zhang Li / Ali Bow - Griffbereich

Bogenverlaufsform und Größenverhältnisse: letztlich an mandschurischen Vorbildern orientierte Bogenform mit jedoch nur moderatem bis mittlerem Reflex von Wurfarmen (Länge je 40 cm; Breite max. 3,2 cm) und Siyahs (Länge je 20 cm)

Griffstück: schlank; gerade; stärker zurückgesetzt, Bezug mit schwarzem Rindsleder

Fertigungszeit: Ende 2017

Preis: 80,- US-Dollar (Ende 2017)

Allgemeines zu Verarbeitung und Fertigung

Die Verarbeitung des Bogens ist solide, stabil und sauber. Keine Kanten, scharfen Übergänge oder Ähnliches; sämtliche Wicklungen fest und lückenlos.

Aufgrund des verwendeten Glasfibermaterials kann eine Robustheit unterstellt werden, die denen glaslaminierter Bogen überlegen ist.

Die Siyahs wirken solide, zu ihren Enden hin schlank zulaufend. Die nicht von der Ledercuvertierung erfassten Bereiche an den Wurfarmenden sind belastbar transparent lackiert.

Im entsprechenden Verhältnis zu den Wurfarmenden stehende Sehnenbrücken mit zusätzlich eingearbeitetem, den Lauf der Sehne führendem Bett.

Glasfiber - Holz - Bogen von Zhang Li / Ali Bow - Wurfarmende

Aus der Erfahrung mit anderen Bögen ähnlicher Bauart empfiehlt es sich, die Sehnenbrücken mit einem dünnen Leder- oder Filzüberzug zu versehen, um den Abrieb der Sehne an deren Kanten sowie den beim Aufschlag der Sehne auf die Brücken entstehenden Geräuschpegel zu minimieren.

Die farbliche Gestaltung ist durch den Bezug mit einfarbigem Leder dezent. Es stehen jedoch herstellerseits verschiedene Möglichkeiten der Cuvertierung mit unterschiedlich gefärbten Leder- oder Hautarten zur Verfügung.

Ob die Fadenwicklungen an den Übergängen vom Griffstück zu den Wurfarmen bzw. von den Wurfarmen zu den Wurfarmenden wirkliche Funktionen erfüllen - wie etwa eine Stabilisierung oder Schutz gegen Verdrehungen - oder nur Zierde sind, konnte nicht beurteilt werden. Jedenfalls wirken sie im Kontext zum Bogen nicht unpassend; stören den optischen Gesamteindruck nicht.

Mißlungen sind jedoch die jeweils mit schwarzem, weichem Wild-/Nubukleder cuvertierten Übergänge des Griffstückes zu den Wurfarmen (Pfeilanlage). Der Erfahrung nach wird dieser Bereich beim Abschuß durch etwaige Berührungen des Bogens durch den Pfeil stärkerem Abrieb ausgesetzt. Diesem dürfte der Wildlederbezug nicht lange standhalten. Daher findet sich bei vergleichbaren Modellen an dieser Stelle regelmäßig auch eine Cuvertierung aus Rochenleder, Einlagen aus Knochen in den Bogen oder Ähnliches.

Hier wurde somit an der falschen Stelle gespart.

Es sollte daher der Bereich der Pfeiltouchierung mit abriebsbeständigem Material versehen werden. Zu diesem Zwecke kann beispielsweise schlichtweg ein dünngeschliffenes Stück Rochenleder am Bogen angebracht werden (wie auf einem der Bilder ersichtlich.).

Auszugs- und Schußverhalten
Auszugsverhalten

Das im ersten Viertel des Auszuges eigentlich typische Auszugsverhalten von Bogen, welche sich an mandschurischen Vorbildern orientieren, ist hier kaum festzustellen:

Aufgrund des nur moderaten Reflexes und der recht kurzen Wurfarmenden besteht nur eine geringe Vorspannung, die zunächst überwinden werden muss. Daher muss nicht sonderlich kräftig ausgezogen werden bzw. kein außergewöhnlicher Vorschub erfolgen.

Danach erfolgt ein geringer Abfall des zum Auszug erforderlichen Kraftaufwandes und der Bogen läßt sich angenehm weiter ausziehen.

Ungefähr ab der Hälfte des möglichen Auszuges ist ein leichter, aber stetiger Anstieg der Zuggewichtsbelastung konstatierbar, welcher sich zum Maximalauszug von 33 Zoll hin etwas verstärkt, ohne dass dieses sich jedoch aufdrängt.

Subjektiv gesehen hatte man beim Erreichen des Vollauszuges nicht den Eindruck, am Ende des möglichen Auszuges angelangt zu sein, mithin gegen eine sprichwörtliche Wand zu ziehen (Stacking).

Auszugskurve anbei.

Abschußverhalten
Abschussart und verwendetes Material

Abschußart:

Der Bogen wurde unter Verwendung eines zylindrischen Daumenrings im chinesisch-mandschurischen Stil mit zwei Pfeilen eines Auszuges von 30 und 33 Zoll geschossen.

Pfeilmaterial:

Pfeile aus modernen Materialien:

Pfeil 1 - Carbon - Nijora Bark M, Spine 600; Länge 30 Zoll; Durchmesser 7,18 mm; gerader Schaft; 100 - grn. – Schraubspitze mit Insert; Plastikstecknocke; Befiederung mit drei Federn in Shieldform zu je fünf Zoll Länge; Gesamtpfeilgewicht 353 grn.- 12,54 gpp (bei Auszug von 30 Zoll).

Pfeil 2 -  Carbon - Gold Tip Traditional XT 400/5575; Länge 33 Zoll; Durchmesser 0,302; gerader Schaft; 100-grn.-3-D-Combo-Schraubspitze mit Insert; Plastikstecknocke; Befiederung mit drei Federn in Shieldform zu je fünf Zoll Länge; Gesamtpfeilgewicht 481 gn – 14,51 gpp (bei Auszug von 33 Zoll).

subjektiver Eindruck

Bogen, die sich an mandschurischer Bauart orientieren, gerieren aufgrund des Reflexes der Wurfarme, der Länge der Siyahs sowie der Sehnenbrücken beim Abschuss teilweise erhebliche Schwingungen, welche als Handschock wahrgenommen und vom Schützen durch entsprechende Schusstechnik absorbiert werden müssen. Letzteres erfordert einige Übung und erschwert, insbesondere für Anfänger, das Schießen mit Bogen dieser Bauart teilweise erheblich.

Diese Phänomene reduzieren sich bei Bogen tibetischer Bauweise aufgrund der geringeren Bogenlänge, kürzerer Siyahs und weniger ausgeprägten Reflexes.
Hinzu kommt, dass diese Bogen aufgrund ihrer geringeren Länge im Gebrauch schlichtweg handlicher sind.
Allerdings kann es aufgrund der geringeren Länge des Bogens zu einem sensibleren Schußverhalten kommen, mithin der Bogen empfindlicher auf Unsauberkeiten der Schußtechnik reagieren, als seine mandschurischen Vorbilder.

Der getestete Bogen entwickelte bei Verwendung des ersten Pfeiles mit dem herstellerseitig als ideal bezeichneten Pfeilgewicht so gut wie keinen wahrnehmbaren Handschock. Entsprechend war bei dem schwereren, zweiten Pfeil kein solcher wahrnehmbar.

Die Energieabgabe erfolgte beim Abschuss jeweils gleichmäßig ruhig, nahezu „unaufgeregt“.

Der gerierte Pfeilflug war jeweils sauber; Fehler in der Schußtechnik wurden verziehen.

Es entstand das Gefühl eines sicheren, sehr ruhigen, fast gemächlichen Abschusses.

objektiver Eindruck - Ergebnisse Geschwindigkeitsmessung sowie „Dynamic Efficiency“ (lt. Auszugsdiagrammformel): 

Die vorerwähnten Testpfeile wurde mehrfach über ein offenes, wie geschlossenes Chronometer geschossen.

Geschwindigkeitsmittel Pfeil 1: 154 fps.

Dynamic Efficiency: 54,17 %

Geschwindigkeitsmittel Pfeil 2: 151,9 fps.

Dynamic Efficiency: 71,81 %

Die Ergebnisse liegen im Rahmen des für Bogen dieser Bauart zu Erwartenden:
Bogen dieser Bauart waren konstruiert, um schwere Pfeile auf nahe bis mittlere Distanzen bei hoher Durchschlagskraft gegen schwer gepanzerte Gegner bzw. entsprechendes Wild effektiv und sicher ins Ziel zu bringen. Das Erreichen hoher Pfeilgeschwindigkeiten oder das Überwinden sehr großer Distanzen waren nicht beabsichtigt.

Dieser Bogen entspricht diesen Anforderungen, gepaart mit einer sicheren Handhabbarkeit.

Fazit

Ein gut verarbeiteter Bogen mit gutem bzw. komfortablem Auszugs- und Schussverhalten. Die Komposition von Bogendesign und Werkstoffen ist als gut zu bezeichnen.

Die Behauptung, Glasfiber-Holz- Bogen wären per se nicht leistungsfähig, wird durch den Bogen nicht bestätigt; eher im Gegenteil. Unbestritten mag bei der Verwendung anderer Werkstoffe wie etwa Glas-Holz- bzw. Carbon-Laminaten bei gleichem Design ein Mehr an Leistung erreicht werden können.

Aufgrund des den historischen Vorbildern entsprechenden Designs, angenehmen Auszugs- und Schussverhaltens kann dieses Modell insbesondere für Interessenten sowie Anfänger eine Option sein, die sich dafür entschieden haben, sich näher mit dem Schießen von Bogen mandschurischer Tradition zu befassen.

Mit diesem Bogen kann die etwas gewöhnungsbedürftige bzw. schwierige, mandschurische Schießweise eine ganze Weile beübt werden – um sich später vergleichbaren Bogenmodellen aus höherwertigen Materialien zuzuwenden.

Unter diesen Prämissen kann man mit dem Bogen nichts falsch machen.

Vorteilhaft nimmt sich zudem der in diesem Zusammenhang auch der attraktive Preis aus.

Auszugsdaigramm