Trainingswissenschaftliche Aspekte

Nach der hier vertretenen, sportlich orientierten Auffassung ist ein erfolgreiches Erlernen und Praktizieren des chinesischen Bogenschießen - wie auch des Bogenschießens überhaupt - nur über den Weg fundierten Trainings möglich.

Unter dem Begriff Training "ist die planmäßige und systematische Realisation von Maßnahmen (Trainingsinhalte, Trainingsmethoden) zur nachhaltigen Erreichung von Zielen im und durch Sport" (vgl. Hohmann/Lahmes/Letzelter, S. 15 aaO) zu verstehen.

Diese Ziele bestehen meist in Form des Erlernens bzw. der Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten im Hinblick auf eine bestimmte Sportart, um dadurch letztlich in diesem Bereich Erfolge zu erzielen oder um das Erlernen und Entwickeln um seiner selbst willen als Erfolg zu sehen.

Die dazu notwendigen Maßnahmen in Form von Trainingsinhalten und Trainingsmethoden und deren Umfänge müssen daher geeignet sein, einen entsprechenden Prozess des Erlernens bzw. der Entwicklung in Gang zu setzen, zu beschleunigen oder zumindest zu erhalten.

Auf die Bereiche der Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie der Trainingsumfänge und Trainingsinhalte wird im Folgenden eingegangen.

Bereich der körperlich determinierten Leistungsfähigkeit, Fähigkeiten und Fertigkeiten

Im Bereich der körperlichen Leistungsfähigkeit, Fähigkeiten und Fertigkeiten ist dieses ist immer dann der Fall, wenn sie sogenannte Reize auslösen, welche den aktuellen Zustand oder das Niveau des Sportlers (Homöostase) stören und darüber letztlich zu einer biologischen Anpassung / Adaptation auf höherem Niveau führen, welche als Steigerung der Leistungsfähigkeit angesehen wird (biologischer Prozess der Entwicklung und Leistungssteigerung / Superkompensation).

vereinfachte Darstellung des Superkompensationsvorganges

Dazu ist es wiederum erforderlich, dass die einwirkenden Reize hinreichend umfangreich, langanhaltend und intensiv sind, um eine entsprechende Adaptationsreaktionen auszulösen, zu sichern und zu erhalten.

Beispiel:

* Ein Mensch, der es nicht gewohnt ist, weite Strecken zu Fuß zu gehen, wird dieses auch nicht ändern, wenn keine Notwendigkeit besteht bzw. keine entsprechenden Anlässe vorliegen – etwa, wenn er z. B. nur 50 Meter zu seiner Arbeitsstelle sowie 100 Meter bis zum nächsten Supermarkt zu laufen hat und ansonsten das Auto benutzen kann. Seine Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Gehen zu Fuß werden sich nicht ändern (Homöostase).

Fällt jedoch sein Auto aus, wird seine Arbeitsstelle in fünf Kilometer Entfernung verlegt und schließt der Supermarkt dergestalt, dass sich der nächste erst einige Kilometer entfernt befindet, ist er gezwungen, diese Strecken zielgerichtet und permanent, jeden Tag zu Fuß zurückzulegen. Dieser Umstand stellt einen die Homöostase störenden Reiz dar.

Aufgrund desssen wird er entsprechende Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln, um die Strecken zu Fuß bewältigen zu können. Sein Organismus wird sich entsprechend adaptieren/anpassen. Seine Leistungsfähigkeit ist im Abschluss dieses Prozesses gesteigert (Superkompensation).

* Ein Bogenschütze muss ein bestimmtes Zuggewicht bewältigen, um einen Bogen schießen zu können.

Allein durch Praktizieren einer bestimmten Technik ist dieses nicht möglich, da eine vorhandene Körperkraft eine, wenn auch nicht die einzig entscheidende Voraussetzungen auf diesem Gebiet ist.

Daher wird er sportartspezifischen Krafttrainingseinheiten unterworfen. Im Ergebnis dessen wird sich seine Muskulatur anpassen und nach Abschluss deren Prozesses wird das Zuggewicht bewältigt werden können.

Weiterhin führen nur qualitativ geeignete und hochwertige Bewegungen und Aktionen dazu, dass ein Erfolg im Sinne des Erreichens des avisierten Zieles eintritt.

* Im vorangegangenen Beispiel des Menschen, dessen Arbeitsstelle und Supermarkt verlegt und dessen Auto ihm genommen wird, wird sich hinsichtlich dieser Person etwa ein Hüpfen auf einem Bein als ungeeignet erweisen, um die Entfernungen zurückzulegen; ebenso ein Hüpfen im Schlußsprung. Vielmehr wird die Person den Gang auf zwei Beinen als geeignet ansehen, um ihr Ziel zu erreichen.

Daher wird eine Adaptation und Steigerung der Leistungsfähigkeit auch nur in Bezug auf die Fähigkeit, zu Fuß zu gehen als qualitativ geeignete eintreten, nicht jedoch im Hinblick auf die Fähigkeit, sich auf einem Bein hüpfend oder im Schlußsprung fortzubewegen.

* Im Beispiel des Bogenschützen werden sich nur die spezifischen Bewegungen der am Auszug hauptsächlich beteiligten Schultermuskulatur als geeignet erweisen, um das avisierte Zuggewicht bewältigen zu können; nicht aber beispielsweise solche der Unterarm- oder Bizepsmuskulatur, die am Auszug nicht oder nur als Folge beteiligt sind.

Daher wird eine Adaptation und Steigerung der Leistungsfähigkeit auch nur in Bezug auf diese Muskulatur und deren Motorik als qualitativ geeignete eintreten, nicht jedoch eine solche der Unterarm- oder Bizepsmuskulatur.

Schließlich muss die Einwirkung der Reize permanent und langfristig genug erfolgen, um die Adaptation auszulösen, zu fördern und zu erhalten, da der entsprechende Prozess naturgemäß bei Ausbleiben entsprechender Reize selbstreversibel ist und sich somit die Anpassung „zurückentwickelt“ bzw. wieder verlorengeht. In der Praxis ist ein solcher Verlust bei entsprechend fehlendem Ansprechen im zeitlichen Umfang von 6-8 Wochen (je nach Trainingszustand) zu beobachten.

* In dem vorangezeigten Beispiel verliert die erwähnte Person die Fähigkeiten, weite Strecken zu Fuß gehen zu können wieder, wenn die Notwendigkeiten, dieses zu tun durch Rückverlegung der Arbeitsstelle etc. entfallen und sie wieder nur kurze Strecken zu Fuß bewältigt.

* Der Bogenschütze verliert ohne praktiziertes Ansprechen der Auszugsbewegung und spezifisches Krafttraining die erwähnte Fähigkeit wieder, das angesprochene Zuggewicht zu bewältigen.

Daraus folgt letztlich, dass auf jeder Leistungsstufe nur ein längerfristiges, permanentes Training zur Beherrschung der Materie mit der sie ausmachenden Bestandteile (Techniken etc.) und deren Stabilität insbesondere in gemeinen Übungs- wie Wettkampfbetrieb führt oder sie erhält (Prinzip der Langfristigkeit und Dauerhaftigkeit) sowie dass nur durch qualitativ hochwertige Bewegungsausführungen Technikverbesserungen und somit Leistungssteigerungen erreicht werden können.

Bereich der koordinativ, technisch oder taktisch determinierten Leistungsfähigkeit, Fähigkeiten und Fertigkeiten

Im Bereich koordinativ, technisch oder taktisch determinierter Leistungen, Leistungsfähigkeit und derer Steigerung nimmt dagegen kognitives Lernen / kognitive, emotionale und motivationale Adaptation und Leistungsentwicklung einen größeren Platz ein.

Hier besteht die Entwicklung bzw. „Leistungssteigerung“ nicht in einer biologischen Anpassung/Adaptation, sondern in einem Ordnen von Informationen und dem Ableiten von Schlüssen aus jenem, der Vorwegnahme solcher und deren Abgleich miteinander sowie daraus gezogener Schlussfolgerungen bezüglich der Auswirkungen des eigenen Handelns sowie der Erkenntnis effektiver, zielführender Handlungsweisen (Lernprozess).

Dabei werden - nach dem Modell antizipierter Verhaltenskontrolle – externe Informationen, vermittelt etwa durch Trainer, andere Sportler, Presse, Fernsehen, Videos, Bücher, Filme, „Anleitungen“ etc. - durch den Sportler aufgenommen, der sich daraus eine aktive Vorstellung in Bezug auf eine bestimmte Handlungsweise und deren Erfolg bildet (Antizipation).

Wird die Handlung dergestalt durch ihn oder andere realisiert wird deren Ergebnis nach einer Soll-Ist-Analyse/Vergleich mit dem Erwarteten/Antizipierten bewertet:

Tritt der erwartete Erfolg ein, wird die Erwartung gefestigt und die Handlungsweise bei entsprechend wiederholtem Eintritt des Erfolges als erfolgversprechend und schließlich geeignet bewertet und eingeordnet. Sie wird dann zukünftig in einer entsprechenden Situation immer wieder angewandt werden, in der sicheren Erwartung, damit erfolgreich sein zu können.

Tritt der erwartete Erfolg nicht ein, differenziert sich die Erwartung aus: Der Handlungsweise wird ein bestimmter Erfolg nicht mehr als zu erwarten zugeordnet, sondern ein anderer Erfolg, ggf. auch ein Misserfolg. In der Konsequenz dessen wird die Differenzierung der Handlungsweise durch Modifikation und Variation später soweit betrieben, bis sich wiederum vorgestellte Erfolge aufgrund modifizierter Handlungen einstellen.

Letztlich ergibt sich beim Sportler ein Bild, dass dahin geht, dass im Hinblick auf ein bestimmtes, avisiertes Ziel einige Handlungen wahrscheinlich Erfolg verheißen, andere dagegen nicht (Erwartungswerte) bzw. ein bestimmte Verhaltensweisen für den Eintritt einer bestimmten, avisierten Folge kausal sein werden, andere dagegen nicht (Handlungsrelevanz). Danach ordnet der Sportler diese Handlungsweisen ein und richtet sein erfolgsorientiertes Verhalten letztlich danach aus (Lernprozess).

Demnach ist es im Bereich koordinativ, technisch oder taktisch determinierter Leistungen, deren Erlernens und derer Steigerung entscheidend, dass der Sportler durch Interaktion mit anderen Sportlern sowie Trainern etc. umfangreiche Informationen – Handlungsanweisungen, Demonstrationen etc. - zur Bildung eigener Vorstellungen/Antizipationen erhält, auf derer Basis er sich durch Abgleich derselben und mit eintretenden Ergebnissen eigene Bilder von zielführenden Handlungsweisen erschließen kann.

Beispiel:

Ein Bogenschütze soll den Vorgang der Expansion und des Lösens erlernen:

Aufgrund von Anleitungen durch Trainer, Videoaufnahmen, Photos und Austausch mit anderen Sportlern sowie durch aus der Literatur erlangten Informationen entwickelt er eine Vorstellung davon, wie diese Vorgänge ablaufen, wie er zu oder im Zuge derer handeln müsse und dass sich, wenn er denn so handle, ein korrektes Lösen des Pfeiles, sauberer Pfeilflug und letztlich ein Treffen einstelle.

Nach der Ausführung der dahingehend vorgestellten Handlungen vergleicht er das Ergebnis mit seiner Vorstellung, ordnet sein Handeln als geeignet oder ungeeignet ein und beginnt, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme weiterer Informationen durch Trainer, Ratschläge etc. mit der Differenzierung derselben.

Im Ergebnis steht letztlich eine Handlung die zu einem zielführenden Lösen bzw. Expansion führt, somit gefestigt und letztlich als erlernt angesehen wird.

Dabei ist ebenfalls von Bedeutung, dass nur qualitativ geeignete und hochwertige Informationen zur Verfügung gestellt werden, um den Antizipationsprozess zu initiieren, zu befördern und aufrechtzuerhalten.

Hier gilt – gerade bei Anfängern – der Grundsatz der Klasse statt Masse sowie der Verallgemeinerung, um die Prozesse am Anfang in die gewünschte Richtung zu lenken und nicht durch falsch verstandene Vielfalt Verwirrung auslösen zu können.

Im Beispiel des Bogenschützen führen diffuse, unreflektierbare, unvollständige Informationen über das Lösen bzw. die Expansion wie etwa unvollständige oder durch diese selbst nicht erklärbare und nicht verallgemeinbare Anleitungen durch Trainer (Motto „Frag nicht,… ist eben so…mach einfach was man Dir sagt…ich mach das so, das klappt und somit ist das richtig....!“), unvollständige Beschreibungen / Abbildungsserien in „Anleitungen“ , Videos o. ä.; nur auf Einzelfälle anwendbare „Spezialratschläge“ anderer Trainer oder Sportler zur Bildung unvollständiger oder letztlich nicht zielführender Vorstellungen des Schützens die selbst im Wege der Differenzierung nicht zum Erfolg des Gewinns der Erkenntnis einer geeigneten Bewegung führen können.

Weiterhin muss das zu Erlernende permanent genug wiederholt werden, um es zu festigen:

Zwar ist einmal erlangtes Wissen bei „Nichtgebrauch“ keinem derart schnellen „Verlustprozess“ unterworfen, wie körperliche Adaptation. Jedoch ist über einen längeren Zeitraum des Nichtgebrauches ein „Einschlafen“ oder „Vergessen“ des Erlernten im Bereich koordinativ, technisch oder taktisch determinierter Leistungsfähigkeit, Fähigkeiten und Fertigkeiten möglich bzw. die Reaktivierung deaktivierter Kenntnisse oft mühselig und zeitaufwendig.

Unter diesen Aspekten sind die nachfolgenden Ausführungen zum Training des chinesischen Bogenschießens und dessen Praktizieren zu verstehen.

Sie sind keine („online“- ) Anleitung sondern eine Darstellung und Anregung aufgrund persönlicher Erfahrungen, abgeglichen mit, ergänzt durch sowie sich orientierend an allgemeinen sowie sportartspezifischen und sportwissenschaftlichen Grundsätzen.

Sie sollen einen Weg aufzeigen, auf dem Erfolg nach der persönlichen Erfahrung im hier betreffenden Bereich möglich sein kann. Dieses heißt jedoch nicht, dass dieser die einzige Möglichkeit ist bzw. Unfehlbarkeitsansprüche erhoben werden sollen.

Letztlich können und sollen die Betrachtungen Selbsterfahrung und persönliche Unterweisung nicht ersetzen.

Jenes ist weder im Bereich der, soweit man Bogenschießen unter diesen Begriff subsumieren mag, Kampfkünste, noch im Sport an sich möglich.

Trainingsumfänge

Unterstellt man das Erlernen und erfolgreiche Praktizieren des chinesischen Bogenschießens als Ziel so folgt aus dem Vorangesagten:

Ohne zielgerichtetes, kontinuierliches Vorgehen wird sich dieses Ziel nicht erreichen lassen.

Dies gilt sowohl im Hinblick auf das Erlernen des Schießens an sich, als auch bezüglich des Bestreitens von Wettkämpfen. Notwendig erscheint daher ein konsequent durchgeführtes, am besten periodisiertes Training mit wechselnden Belastungen. Dieses muss möglichst umfangreich, intensiv und qualitativ hochwertig sein, um das Ziel erreichen zu können.

Hierbei gilt, dass im Bereich des Bogenschießens die Häufigkeit des Trainings (bei vergleichbarer Belastung) größeren Einfluß auf den Trainingserfolg hat, als die Dauer.

Daher sollte im Hinblick auf ein nachhaltiges Erreichen von Zielen die Erhöhung der Trainingshäufigkeit vor der Erhöhung des Trainingsumfanges und diese wiederum vor der Erhöhung der Trainingsintensität stehen.

So wäre beispielsweise zunächst die Anzahl der Trainingseinheiten pro Woche zu erhöhen (Erhöhung der Trainingshäufigkeit), bevor die Dauer der einzelnen Trainingseinheiten verlängert wird (Erhöhung des Trainingsumfanges), bevor innerhalb der jeweiligen Trainingseiheiten mehr Pfeile geschossen werden und dieses wiederum, bevor das Zuggewicht zur Bewältigung der Trainingsinhalte gesteigert wird (Erhöhung der Trainingsintensität).

Daraus folgt, dass ein Trainingsumfang von nur einer Trainingseinheit pro Woche, selbst wenn sie mehrere Stunden ausmachen sollte, ungeeignet ist, entsprechende Adaptationsreaktionen und Lernprozesse im Hinblick auf das Erreichen des Zieles auszulösen.

Diesen, meist in geselliger Runde durchgeführten, „Trainingseinheiten“ mag zwar ein gewisser, sozialisierender Effekt innewohnen ("Kaffekränzchen"); auch mögen sie psychologisch in der ein oder andere Konstellation vielleicht sinnvoll sein. Praktischen Nutzen bringen sie über das Erlernen etwaiger Anfängerkenntnisse hinaus jedoch nicht.

Das gilt ebenso für beispielsweise über die Woche verstreute „Trainingseinheiten“, in denen ziellos, gleichsam ohne Sinn und Verstand „geballert“ oder „ein paar Pfeile fliegen gelassen werden“ sowie „Parcoursbesuche“ mit reinem Belustigungscharakter.

Ein gewisser Spaßfaktor ist jeder Trainingsbetätigung zwar förderlich – durch ihn oder um seiner selbst willen wird sich jedoch keinerlei Fortschritt erreichen lassen.

Es erscheint vielmehr sinnvoll, bei ambitionierten Anfängern zwei Trainingseinheiten mit dem Umfang von je einer Stunde (ohne Aufwärmen); bei Fortgeschrittenen drei Trainingseinheiten mit dem Umfang von je ein bis eineinhalb Stunden einzuplanen.

Einheiten von mehr als eineinhalb Stunden am Stück erscheinen aufgrund des dabei zu verzeichnenden Abfalles von Kondition und Konzentration wenig sinnvoll (Wettkampfsituationen bilden eine Ausnahme).

Im Hinblick auf den Erhalt der erlernten bzw. durch Adaptation erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sollte das Training längerfristig und perspektivisch ausgerichtet werden:

So ist es ein bekanntes, trainingswissenschaftlich erklärbares Phänomen, dass es unmittelbar nach Aufnahme einer sportlichen Betätigung zu einem signifikanten Anstieg der Leistung kommt, welche nicht einmal von der Qualität entsprechender Anleitungen, sondern eher der Quantität des Traninings abhängig ist.

Ebenso regelmäßig wird sich dann jedoch mit diesem - meist aufgrund des in eben jenem Anstieg wurzelnden Trugschlusses "es ja jetzt zu können"; "jetzt wie eben jeder seinen eigenen Stil zu entwickeln" - zufriedengegeben bzw. die "Lust an der Sache" sofort dann verloren, wenn aufgrund des Abflachens der Leistungssteigerungskurve ein qualitatives und / oder quatitatives Mehr an Trainingsaufwand erforderlich wird, um das Leistungsniveau weiter zu heben oder zumindest zu erhalten.

Verhältnis von Leistungssteigerung & Dauer der sportlichen Betätigung
Verhältnis von Trainingsaufwand zur Leistungssteigerung & Dauer der sportlichen Betätigung

Ohne ein perspektivisch längerfristig angelegtes Training ist diese Situation geeignet, in recht kurzer Zeit selbst das bis dato erreichte Leistungsniveau wieder zu verlieren.

Trainingsinhalte
Anfängertraining - mögliche Inhalte

Im Rahmen des Anfängertrainings sollte nach einer bloß spaßbetonten Kennlernphase mit dem Ziel, auf fünf bis sechs Meter überhaupt eine 80 x 80 cm große Zielscheibenauflage zu treffen, zunächst zum stringenten Einüben des Schussablaufes übergegangen werden.

Dabei ist auf das Einschleifen einer qualitativ hochwertigen Bewegungsausführung ohne eigene Variationsmöglichkeiten/Freiheiten der Schützen unter Anleitung (Zurverfügungstellung von Information durch den Trainer mit dem Ziel der Antizipation durch den Schützen s. o.) zu achten (sog. "Einfrierungsphase“). 

Hierbei ist es sinnvoll, die in der erwähnten Kennlernphase verwendete Zielscheibenauflage durch eine Auflage ohne jegliches Ziel zu ersetzen, um dem Schützen den sich durch eine Zielscheibe oft aufbauenden Druck, diese unbedingt treffen zu wollen, zu nehmen, auf dass er sich auf das Erlernen des Ablaufes an sich konzentrieren kann.

Ein Anstreben von Perfektion erscheint notwendig, um Erfolge und später darauf aufbauende Freiheiten erlangen zu können: Denn erst wenn der Schütze die an sich größtenteils unnatürlichen Positionen und Bewegungsabläufe des Schießens gleichsam als Automatismus eingepflanzt bekommen hat, kann er sich einzelnen, speziellen Aspekten und deren partieller Modifikation mit dem Ziel derer Verbesserung widmen, ohne dass sich das Gesamtgefüge in ungünstiger Weise verändert oder zusammenbricht.

Geschossen werden sollten bei Anfängern Passen von drei Pfeilen, da bei mehr Pfeilen die Konzentrationsfähigkeit im Hinblick eine saubere Schußausführung; die Fähigkeit, Fehler zu registrieren und diese beim nächsten Schuss zu korrigieren, signifikant abnimmt.

Fortgeschrittenentraining - mögliche Inhalte

Das Anstreben eines perfekten Schussablaufes ist auch in der Fortgeschrittenenphase fortzusetzen, wobei hier das sukzessive Freisetzen von Variationsmöglichkeiten/Freiheitsgraden mit dem Ziel flüssiger und in der Regel fehlerfreier Ausführung erfolgen soll (sog. "Lösungsphase").

Dazu haben sich Entfernungen von drei bis vier Metern als förderlich erwiesen – chinesische Quellen nennen als Anfängerentfernung „ein Zhang“ = 3,11 Meter -, bei denen am besten auf eine, auf eine weiße Fläche aufgezeichnete, drei bis vier Zentimeter breite, vertikal Linie zu schießen ist.

Ziel ist hierbei, eine horizontale Streuung innerhalb des Nullinienbereiches möglichst zu minimieren.

Befinden sich alle Pfeile innerhalb des Linienbereiches ist auf die Mitte der Linie ein kleines Quadrat oder Punkt zu zeichnen, mit dem Ziel, dass sich nunmehr die vertikalen Streuungen reduzieren.

"Linienschießen mit Quadrat"

Wird dieser mit allen Pfeilen getroffen, ist der Pfeilflug bei allen Pfeilen gerade und stecken im Ergebnis dessen alle Pfeile gerade in der Scheibe, kann die Entfernung verdoppelt und später verdreifacht werden.

Bei weiteren Entfernungen macht dann die Verwendung der klassischen Scheibenauflagen Sinn, da zu diesem Zeitpunkt die Fähigkeiten ausreichend  entwickelt sein sollten, um im Grundsatz technisch sicher agieren zu können.

Eine Überschreitung des Nullinienbereiches erscheint jedoch nicht zielführend, bevor sich das Trefferbild nicht stabilisiert hat.

Bei Fortgeschrittenen kann die Pfeilanzahl pro Passe, insbesondere bei größeren Abständen auf fünf erhöht werden, soweit die individuelle Konzentrationsfähigkeit dem nicht entgegensteht.

Ein Training nach der Methode der Nichtwiederholbarkeit / K.-O.-System, mithin das Schießen von nur einem Pfeil, eignet sich aufgrund der Singularität der Ergebnisse und des damit einhergehenden Fehlens der Möglichkeit, etwaig periodisch auftretende Fehler beobachten zu können nur für Fortgeschrittene, bei denen ein sicheres Beherrschen der Schußtechnik bereits vorausgesetzt werden kann. Nützlich erscheint diese Methode insbesondere in Bezug auf zu erwartende Einzelfallschußsituationen, zum Beispiel sog. "Hunterschüsse" auf 3-D-Turnieren.

leistungsorientiertes Training - mögliche Inhalte

Hat sich der Status des fortgeschrittenen Schützen Konsilidiert. kann mit klassischen Scheibenauflagen von 80 x 80 cm in wechselnden Entfernungen zwischen 10-20-30-40-50 Metern trainiert werden, um sich insbesondere an ungewohnte Entfernungen, verbunden mit der Aufrechterhaltung der Stabiliät im Vollauszug zu gewöhnen (Meistens ist dieses bei weiten Entfernungen nur für einen Pfeil möglich.).

Ein Parcourstraining auf 3-D-Ziele macht m. E. erst dann Sinn, wenn auf 20 Meter ein halbwegs stabiles Trefferbild zu verzeichnen ist. Denn wenn dieses noch nicht der Fall sein sollte, würden die im Grunde noch nicht gefestigten Fähigkeiten und Fertigkeiten bzw. die Probleme mit diesen auch noch um die typischerweise beim Schießen im Gelände auftretenden vermehrt und somit ggf. das Frustrationspotential für den Schützen unnötig erhöht werden.

In diesem Zusammenhang soll auch darauf hingewiesen werden, dass im Hinblick auf eine erfolgreiche Teilnahme an 3-D-Wettbewerben das Sammeln von Erfahrungen im Umgang mit den dabei auftretenden Ziel- und Gländesituationen eine erhebliche Rolle spielt.

Aufgrund der Variabilität in diesem Bereich können diese sowie dahingehende Adaptationsfähigkeiten - unter Beachtung der o. g. Grundsätze hinsichtlich Trainingsumfang, - dauer und -intensität - nur durch das Training auf unterschiedlichen Parcouren und dort auf unterschiedliche, unbekannte Entfernungen erlangt werden.

Ergänzende Inhalte des Trainings - Krafttraining

Wie bereits erwähnt, sollte gezieltes Krafttraining auch ein weiterer Bestandteil des Trainings sein, da die dahingehende notwendigen Adaptationsprozesse durch ein Schießen selbst nicht hinreichend erfolgen können.

Zu diesem Zwecke können auch Übungen mit dem Thera-Band eingesetzt werden.

Aspekte der Trainingsgestaltung - Auflockerung und Abschluß

Um das Training zwischendurch aufzulockern, empfiehlt sich etwa „Spaßschießen“:

Zum Beispiel in Form des Schießens auf aufgeblasene Luftballons in Entfernungen von maximal zehn Metern; des Schießens mittels Bluntpfeilen (!) auf frei nebeneinander stehende, leere Pet-Flaschen (gleichzeitiges Training der vertikalen Treffsicherheit); des Schießens mit Heulpfeilen auf spezielle Tunken-Ziel-Scheiben (gleichzeitige Kontrolle geraden Pfeilfluges) oder des Schießens mit Heul- oder Bluntpfeilen auf nach persönlichem Empfinden als besonders unattraktiv empfundene, kleine Plüschtiere (Prinzip "Schießbude"). Durch diese Formen kann sich die im Zuge schlichten Techniktrainings oft absinkende Konzentrationsfähigkeit / nachlassende Konzentrationsausdauer zumindest temopär wieder regenerieren.

Der Trainingsabschluß kann zum Beispiel in Form eines sogenannten Ausschießens erfolgen:

Dabei erfolgt ein Schießen einer festgelegten Anzahl von Pfeilen auf einen kleinen Punkt in fünf bis zehn Metern Entfernung, wobei je Treffer die Zahl der zu schießenden Pfeile um einen verringert wird. Das Training ist erst beendet, wenn man über keinen Pfeil mehr verfügt.

Durch diese Verfahrensweise würde gleichzeitig dem Erfahrungssatz entsprochen werden, dass das Training möglichst mit einem positiven Ergebnis beendet werden sollte, um einen Anspron für das Kommende zu liefern.

Überprüfung der Leistung - Wettkampf

Die Überprüfung des Erlernten sollte schließlich durch ernsthaft zu betreibende Teilnahme an externen Wettkämpfen erfolgen (3-D-, Tierbild- oder Scheiben-Turniere). Dieses stellt, fern von den Laborbedingungen des häuslichen bzw. Vereinstrainingsbetriebes, die einzige Möglichkeit dar, den eigenen Leistungsstand und etwaige Fortschritte realistisch und unter Einbeziehung größtmöglicher externer Störfaktoren überprüfen zu können.

Letztlich ist auch nur dadurch eine messbare Anerkennung der eigenen Leistungen durch Dritte und eine damit einhergehende Selbstaufwertung möglich. Daher sollte dem Bestreiten von Wettkämpfen ein herausgehobener – wenn auch nicht einziger - Stellenwert im Hinblick auf das Erlernen des chinesischen Bogenschießens eingeräumt werden.

Hinsichtlich der Teilnahme an Wettkämpfen sollten jedoch sowohl Leistungsfähigkeit, als auch Motivationswirkungen auf den Schützen beachtet und in Anbetracht derer die Auswahl von Wettkämpfen an den Schützen angepasst werden. Physische, wie psychische Über- wie auch Unterforderungen sind zu vermeiden:

So kann beispielsweise eine zu frühe Teilnahme eines noch nicht hinreichend ausgebildeten Anfängers an einem anspruchsvollen Turnier und damit einhergehende Mißerfolge diesen Schützen ebenso demotivieren, wie ein sich über eine sehr lange Zeit erstreckendes Grundlagentraining ohne Vergleichsmöglichkeiten.

Nützlich kann jedoch auch eine frühe Teilnahme an leichteren oder kürzeren Wettbewerben oder etwa die Durchführung eigener "Vereinsturniere", gegebenenfalls mit der Unterteilung in unterschiedliche Leistungsklassen sein.

Schließlich stellt die Teilnahme an Wettkämpfen die effektivste Möglichkeit dar, den Bekanntheitsgrad des chinesischen Bogenschießens zu heben, es in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und im hiesigen Sine mit (neuen) Leben zu erfüllen:

Denn wird es nur in Vereinen, auf der heimischen Schießbahn oder in engen, "exklusiven Zirkeln" mit dem Hang zur Selbsinszenierung praktiziert bzw. über es nur virtuell philospohiert, wird die breite Öffentlichkeit seiner nie angesichtig werden, nie ein breiter Interessetenkreis sich dafür erwärmen - von der Anerkennung dieser Art des Schießens und der dazu verwendten Ausrüstung durch oder in offiziellen Verbänden ganz zu schweigen.

Trainingsausgleich

Beim chinesischen, wie auch beim Bogenschießen im allgemeinen, handelt es sich um einen recht einseitig, oberkörperbezogenen, von Kraftausdauer geprägten Sport mit partiell geistiger Belastung (Konzentrationsausdauerbelastung) handelt.

Daher sollte man sich bemühen, den Körper durch Ausgleichssportarten und - beschäftigungen zu be- bzw. den Geist durch diese zu entlasten.

Dazu bieten sich beispielsweise an:

* aus dem Bereich des Ausdauertrainings - zyklische Belastungsformen wie etwa Schwimmen - insbesondere Rückenschwimmen - Radfahren; Rudern; Skilanglauf; (zügiges) Walking; Wandern im unebenen Gelände

* aus dem Bereich des Krafttrainings - Zirkeltraining; Auqafitness; Vibrationsübungen mit Schwing-Sticks o. ä.; (gegebenenfalls gerätegeführte) Rumpfstabilitätsprogramme; Übungen mit Thera-Bändern; gerätegeführtes Training mit Gewichten

* aus dem Bereich des Beweglichkeitstrainings - Dehnungs- und Gymnastikübungen; Taji, Qigong & diesen verwandte Bewegungsformen

* aus dem Bereich des Koordinationstrainings - Jonglierübungen; Schulungen der Gleichgewichtsfähigkeit; Taji, Qigong & diesen verwandte Bewegungsformen; Tanz.

* aus dem Bereich des Konzentrationstrainings - Meditationsübungen ohne Bewegung